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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 3
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Weser, Rudolf: Der Salvator bei Gmünd und sein Erbauer, [2]: zur dritten Säkularfeier 1617 - 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0081

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78

rcn ganzen Charakter zu überwuchern.
Man wird sich z. B. doch fragen müssen:
Paßt ein Prager Jesuskind, eine Lour-
desstatne und dergl. an diesen Ort?
Gottlob beginnt jedoch seit kurzem eine
bessere Einsicht zu walten. — Nicht ent-
sprechend ist auch die bei einzelnen Sta-
tionen, z. B. beim Kerker, beim heiligen
Grab, beliebte Verwendung von Tuff-
steinen, die an diesem Felsengehänge
als etwas Fremdes und nicht hieher Ge-
höriges empfunden werden. Ihre Ver-
wendung bei Jesus am Oelberg ist durch
den sie überwuchernden Efeu erträglicher
gemacht. — Ganz verunglückt ist die
neue Figur des Kerkerchristus. Bei ihrer
Herstellung hat man die oben geschil-
derte Form des knienden Christusbildes
vertauscht mit einer sehr steifen imb
nichtssagenden, auch in der Draperie
mißratenen sitzenden Skulptur. —
Endlich hat das 19. Jahrhundert die
jetzt gebräuchlichen 14 Stationenbilder
ails dem Salvator eingebürgert — d i e
fünfte Ent ln i ck l u n g s st u s e des
Stationen Wegs des Salva-
tors. Diese Kreuzwegbilder sind klei-
nere gegossene Metallreliess in farbiger
Fassung, mit Holzrahmen versehen, die
teils in die Nischen der alten Steinbild-
stöcke, teils in die Innenwände der Ka-
pellen, teils auch in deren Außenwände
eingelassen oder an denselben aufge-
hängt sind. Ihre Ernfügung in das Ge-
samtbild des Salvators begreift in sich
jedenfalls einen Abfall von der sonsti-
gen künstlerischen Qualität des Skulp-
turenwerks des Myrrhenberges, auch in-
sofern, als bei der Wahl dieser Bilder
nicht einmal die topographische Lage
des Berges in Betracht gezogen wurde.
So kommt es, daß bei den drei Fällen
unter dem Kreuze Christus mit seinem
Kreuz jedesmal den Berg herabfällt, an-
statt daß die Richtung des Fallenden
sich bergan wendet. Wie wäre es, wenn
bei einer zukünftigen kunstverständigen
Erneuerung dieses modernen Stationen-
kanons wieder auf die ehrsamen, schlich-
ten und doch sehr künstlerisch wirkenden
Formen des Kaspar Vogt zurückgegrif-
fen würde? Meines Erachtens dürften
von diesen Stationen keine Bilder mehr
i n den Kapellen angebracht werden.

j Höchstens in den Außenmauern ange-
bracht, wirken sie erträglich, wie die
jetzigen an der Eece-homo-Kapelle. Am
besten, freilich wäre es, alle 14 Bilder in
Bildstöcken unterzubringen. Selbstver-
ständlich dürften auch diese Bildstöcke
nicht über einen Leist geschlagen werden
und ja nicht - sklavische Nachahmungen
der alten Werke werden. Wenn man
den allgemeinen Typus der Vogtschen
Werke beibehält, so läßt sich doch wieder
jeder Bildstock irr veränderter dekorati-
ver Form ausführen, wie das ja schon
Vogt in mustergültiger Weise getan hat.
Für die Stationenbilder selber würden
wieder am besten Stein- oder Holzreliefs
zu empfehlen sein, die im natürlichen
Steinton oder Holzton gehalten oder nur
mit leichten Farbtönen abgestimmt sein
müßten. Das gäbe sicherlich ein Werk,
das sich einerseits von der alten Kapel-
lenreihe als eigentlicher Kreuzweg deut-
lich abheben und doch sich wieder in das
gute Alte schön und mild einstigen
würde. Der Kostenpunkt würde aller-
dings erheblicher ins Gewicht fallen;
allein es wäre nicht nötig, alles auf ein-
mal zu machen. Bei dem bewährten
Opfersinn des katholischen Volkes und
der Katholiken Gmünds für ihren Sal-
vator fände die Ausführung des Gedan-
kens keine unüberwindlichen Hindernisse.
Eine derartige Erneuerung würde als
zukünftige sechste Entwick-
lungsstufe des Salvatorstationen-
wegs das Problem der Verbindung des
Neuen mit dem Alten künstlerisch befrie-
digend lösen!

Das Bild, das in vorliegender Arbeit
von der kunstgeschichtlichen Entwicklung
des Salvatorheiligtums entworfen
wurde, würde doch noch einiger Züge
entbehren, wenn nicht auch der G e i st -
lichen gedacht würde, die in diesen
drei Jahrhunderten auf der Höhe des
„Myrrhenberges" gewirkt haben nnb
„ihres Geistes einen Hauch" im Heilig-
tum zurückgelassen haben. Ist der Name
des ersten Testators für den Neb erstein,
des Vikars Heinrich Pfennigmann, in
Stein verewigt, so mögen auch andere,
die sein Werk weiterführten, soweit
möglich, in diesen Blättern ein beschei-
denes Denkmal finden.
 
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