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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

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Nr. 1
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Naegele, Anton: Die Waldkapelle von Ensmad
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https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0008
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2

ist reiche Lichtquelle je ein hohes in
Kleeblattbogen endendes, mtr 1,20 Me-
ter breites, zwischen den zwei seitlichen
Gewölbegnrten angebrachtes Fenster,
dessen oberste Rnndn.ng in der dicken
Mauer aufwärts, dessen unterer Ab-
schluß abwärts steigt - eine wirksame
Vorrichtung für den Lichteinfall.

Wieder anders geformt sind die bei-
den Lichtöffnungen im Schiff. Je ein
(2,10 Meter) breites, vom Halbkreis
überwölbtes, dreiteilig vergittertes Fen-
ster läßt die Lichtstrahlen der auf- und
nntergehenden Sonne einströmen und
an dem Tonnengewölbe des Schiffes
sich brechen. Tie Rückwand gliedert
ein rechteckiges, von Ochsenangenfenster
überragtes Portal, zu dem eine Frei-
treppe (links 4, rechts 6 Stufen) mit
alten profilierten Steinen hinanfführt.
Tie Türe selbst (2 Meter hoch, 1,20 Me-
ter breit, aus 70 Zentimeter! dicker
Wand ausgehauen) führt nicht auf den
Boden der Kapelle, sondern auf die Em-
pore im Innern, eine Neberraschung
für den Besucher, der in so mäßiger
Außenhöhe der Terrasse kein Innen-
geschoß erwartet. Ein drittes Tor bil-
det den Haupteingang an der Südseite
zu ebener Erde; darüber ist eine S o n -
n c n u h v gemalt.

lieber dem Westgiebel erhebt sich der
Dachreiter, über einer Hohlkehlenverzie-
rnng ans den First des Daches gesetzt.
Das Achteck des Turmes mit seinen
kleinen, hübsch profilierten vier länglich
schmalen Oeffnungen krönt ein krenz-
überragtes Zwiebeldach mit Blechbelm:
zwei zart nnb hell klingende Glöck -
I e i n beherbergt das kaum besteigbare
Türmchen.

Die Rückwand ist leider stark verfal-
len und voll Feuchtigkeit, noch mehr
als die auch int Boden tiefer steckende
Nordmauer des Schiffs. Verhängnis-
voll sollte dieser llebelstand für die bis
vor kurzem verdeckten alten Wandmale-
reien werden, wie wir unten hören.

Betreten wir das Innere dieses
ansehnlichen Feldkapellchens, soj fällt
nn§ neben der Geräumigkeit und Rautn-
harmonie vor allem der verhältnis-
mäßig reiche S ch m n ck auf, den
Kunstsinn und Frömmigkeit überall an
Wänden, im Chor, am Plafond ange-

bracht hat. Der kreuznahtgewölbte
Chor hat einen mit plastischem Zier-
werk fast überladenen Altar. Die von
zwei runden stuckmgrmornen Säulen-
paaren flankierte Hauptnische füllt eine
gotische Pieta, eine sehr ausdrucks-
volle Gruppe: die Fassung ist lvie bei
einigen anderen Figuren noch die alte,
wenigstens älter als bei den Seiten-
statuen. Besonderer Beachtung wert ist
die Hauptfigur des Hochaltars, die Sta-
tue der M a t e r d o 1 o r o s a. Sie
ist 92 Zentimeter hoch, unten 88 Zenti-
meter breit. Die offenkundig gotische
Figur der schmerzhaften Maria schmückt
überaus reicher Faltenwurf, das nach
rechts sanft geneigte Haupt mit dent
gotischen „Hälslin" umrahmt ein Kopf-
tuch (vom Oberkleid). Ein mildes Lä-
chelst mehr als betrübtes Meinen hat
der Künstler in die Züge der noch ju-
gendlichen Sch! nerzens mt t hier gelegt.
Auf ihrem Schoß hält sie den toten
Sohn, die linke Hand über dent Leich-
nam nttd desseit rechten Arm, mit der
rechten Hand stützt sie von unten das
Haupt, das von dem fast ganz quer,
herüber gelegten Leib hinabsinken will.
Ober- und Untergewand fließt vom
Knie an reich gefältelt über die Sitz-
bank nttd breitet sich stellenweise über
das offenbar jüngere Postatneut ans.

Neu bezw. ergänzt muß an dent Chri-
stuskörper manches sein, das iticht zum
Bildcharakter der Mittler Jestt passen
will. Der Gegensatz zwischen der Fein-
heit des Marienbilds titid dett gröberen
Formen des Christuskörpers ist auffal-
lend. Die Dornenkrone ums Haupt ist
in Dreieckform geknüpft. Eine genauere
Untersuchung ergab Anhaltspunkte für
die Lösung dieses Widerspruchs in der
plastischen Gruppe. Unter dett Schul-
tern geht ein Riß durch die Figur tind
ebenso oberhalb des Knies des schlaff
berabhängenden äußeren (rechten) Fu-
ßes. Es scheinen also Kopf tind Füße
ergänzt zti seitt, tittd nur der Rumpf,
der realistisch gebildete Brustkorb, der
die Rippen stark heraustreten läßt, mit
der rechten Seitenwunde ttrsprünglich
zit sein. Eine Bestätigung erhielt diese
Bermnlnng durch die glückliche Ent-
deckuug einer I n schrift in der Mitte
der hinten im Rücken ausgehöhlten Fi-
 
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