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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

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Nr. 1
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Weser, Rudolf: Die Freskomaler Anton und Joh. Baptist Enderle von Söflingen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0027
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21

mar Schultheiß der Gemeinde, andere
bekleideten sonstige Ehrenämter im Dorfe.

Aus diesem Geschlechts wird als erste
der Malkunst beflissene Persönlichkeit er-
wähnt M a r i a Ende r l e, Tochter
des Franz und der Johanna Enderle.
Sie ist geboren am 27. Juni 1699 und
gestorben am 11. März 1771 in ledigem
Stande. Das Totenregister fügt bei
ihrem Namen die Bemerkung hinzu:
nrtis pictoriae et acu pingendi pa-
ri ta Virgo.

Sodann kommt besonders in Betracht
die Familie des Johannes Enderle, der,
1650—1660 geboren, mit einer Anna
verheiratet, unter seinen zwölf Kindern
als jüngsten Sohn den ain 11. Juni
1700 geborenen A n t o n Enderle
hatte. Dies ist der Maler, der sich ge-
wöhnlich „von Günzburg" nennt. Aus
dem Unterricht eines Klostermalers hat
er sich 31t weiterer Ausbildung zu einem
Maler nach Günzburg (Viola?) begeben
und sich dort niedergelassen. Im Jahre
1723 heiratete er da eine Anna Maria,
die ihm in den Jahren 1724—1732
sechs Kinder gebar, aber am 15. No-
vember 1732 zugleich mit den neugebo-
renen Zwillingskindern verstarb. Bald
schritt er, am 26. Januar 1733, zu einer
zweiten Ehe mit Maria Anna Baumei-
ster, von der er vier Kinder halte und
die am 3. Juli 1754 ebenfalls starb. Die
Trauzeugen bei seiner zweiten Ehe wa-
ren aus angesehenem Stande; es war
der . Rev. Dominus Böttinger und Do-
minus Johannes Winkler, Bürgermei-
ster in Günzburg. Die Taufpaten sei-
ner Kinder erster Ehe waren Anton Ku-
gelmann (altes Günzburger Geschlecht)
und Anna Maria Violin. Letztere
stammte aus der Familie des Bürger-
meisters Johann Viola, der am 18. Aug.
1706 für sich und seine Erben den Wap-
pen- und Adelsbrief erhielt. Dieser Brief
ist heute noch erhalten im Altevtums-
nruseum zu Günzburg. Der Witwer
Anton Enderle vermählte sich am 24.
Januar 1757 zum drittenmal mit Ma-
ria Martha Mohrin von Hohenwang
oder Hochwang und starb am 11. April
1761. Seine Kinder sind alle früh ge-
storben. So ist also seine Familie in
Günzburg ganz ausgestorben.

lieber seine Wirksamkeit haben wir

keine sehr ausführlichen Nachrichten.
Sie erstreckte sich auf wenige Kirchen im
heutigen Bayern, die Heimat Söflingen
oder die Umgebung ■ weist keine Spur
davon auf.

Sein bedeutendstes Werk ist die Aus-
malung der F r a u e n k i r ch e i n
G ü n z b u r g im Jahr 1741. Im Chor
dieser Kirche malte Anton Enderle das
große Mittelfresko: Mariä Verkündi-
gung; hinter dem Altar an der Decke
sieht man ein kleineres Bild: Maria
zeigt anbetenden Engeln ihr Kind; wei-
ter nach vorn: Mariä Heimsuchung;
links und rechts vom Chormittelbild:
Die Darstellung Jesu im Tempel und
Jesus unter den Lehrern im Tempel.
Das gewaltige Deckenbild im Schiff schil-
dert Mariä Krönung. Dieses sehr fi-
gurenreiche Fresko bringt den ganzen
himmlischen Hof zur Darstellung. Un-
ten am Bilde erhebt sich ein Spring-
brunnen in einem Garten mit pyra-
midenartigen Bäumen. Tie Signatur
des restaurierten Bildes lautet: Anton
Enderle 1711. Um dieses Kolossal-
gemülde zieht sich ein Kranz von kleine-
ren Fresken: 1. Maria wird von Do-
minikus und Franziskus verehrt. 2. Ma-
riä Himmelfahrt: über dem Grab Ma-
riens sitzen oder schweben zwei Engel.
3. Maria die Hilfe der Christen im
Kampf gegen die Türken. 4. Aufer-
stehung Jesu. 6. Dominikus und Katha-
rina von Siena mit dem Rosenkranz.

6. Himmelfahrt Jesu. 7. Geburt Ma-
riens. 8. Sendung des Heiligen Geistes.
An der Orgelbrüstung sind die fünf Bil-
der des schmerzhaften Rosenkranzes ge-
malt: Oelberg, Geißelung, Dornenkrö-
nung, Kreuztragung und Kreuzigung.

Betrachtet man zunächst die Kompo-
sition des ganzen Bilderzyklus, so bietet
der Chor die Darstellung der Geheim-
nisse des freudenreichen, das Schiff die
des glorreichen, die Orgelbrüstung die
des schmerzhaften Rosenkranzes, das
Ganze ist also eine Verherrlichung der
Rosenkranzkönigin. Nur ist die Bilder-
reihe des Schiffes durch drei geschicht-
liche Szenen erweitert. Der Gedanke
dieser Zusammenstellung ist offenbar
sehr gut erfaßt von dem Künstler, wenn
auch anzunehmen ist, daß derselbe ihm
von den Bestellern nahegelegt worden ist.
 
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