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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 35.1917

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Nr. 4
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Weser, Rudolf: Die Freskomaler Anton und Joh. Baptist Enderle von Söflingen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21062#0104
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98

Waagschale des Michael. Zu oberst
.schwebt der Heilige Geist und Gott Va-
ter in rötlicher Nimbuswolke, ganz um-
geben von Engeln, die betend und be-
wundernd die Szene betrachten. Alles
ist äußerst zart und duftig gemalt, eine
geistreiche Komposition, eine ganze Al-
lmseelenpredigt! An die abgerundeten
Ecken des großen Gemäldes schließen sich
vier Kartuschen an in rot und grün:

a) links vorn: eine beglückte Seele wird
von Engeln nach oben geleitet: Him-
mel; b) links hinten: ein Engel mit
Schwert weist eine verdammte Seele,
die von Schlangen nmringelt ist, in den
Höllenrachen — Hölle; c) rechts vorn:
der Tod mit der Sense führt einen
Menschen ans den Friedhof. lieber dem
Tod sieht man das Haupt des Kronos
mit der Sanduhr auf dem Kopf und
unter sich eine Sonnenuhr — der Tod;
d) rechts hinten: das Kreuz erscheint in
den Wolken, die Sterne fallen vom
Himmel, die verfinsterte Sonne, ein
Engel stößt in die Posaune, die Toten
stehen auf — das Gericht, also die v i e r
letzten Dinge.

Zwischen diesen Darstellungen erschei-
nen noch die drei göttlichen Tu-
g e n den: a) der Glaube, eine Frauen-
gestalt, fast weiß gewandet mit bläu-
lichem Obergewand, mit Kreuz, Buch.
Kelch und Gesetzestafeln; b) die Hoff-
nung in grünlichem Gewand mit dem
Anker, über ihrem Haupt ein Dreieck-
ninrbus mit drei Flämmchen; e) die
Liebe mit brennendem Herz und Pfeil,
eine besonders gute Figur.

An der Emporebrüstung sind drei
länglich gezogene Bilder gemalt, welche
der Verehrung des hl. Johannes
des Täufers gewidmet sind: a) Pre-
digt des Täufers vor zahlreichem Volk;

b) seine Enthauptung im Gefängnis; die
Tochter des Herodias trägt lächelnd das
Haupt weg; in der Ecke links ist das
Festmahl des Herodes beigemalt; e) seine
Beschneidung: der Priester hat das Kind
aus dem Arm, Zacharias schreibt dm
Namen aus die Tafel, Elisabeth in der
Kindbett. Es sind ebenfalls ganz gute
Bilder.

Das Hochaltarbild ist signiert: J. B.
Enderle, pinxit 1772 und stellt die
T a u se Jesu am Jordan durch

Johannes, den Patron des Kirchleins,
dar. Es ist eine eigentümliche Darstel-
lung. Johannes steht links aus dem
Bilde und hält seinen rechten Arm mit
der Tausschale so hoch, daß sein Haupl
darunter ganz sichtbar wird. Engel sind
beschäftigt mit den Kleidern Jesu, über
d'er Szpne schwebt der Heilige Geist.
Das Oberaltarbild zeigt Gott Vater in
grünlichblauem Untergewand und gelb-
lichem Mantel, mit Zepter, von Engeln
umgeben. Auch bei diesem Hochaltar-
bild hat Enderle wieder die Luftpartien
in grünlichem Tone gemalt.

Mainz 1774.

Ein Zeichen des großen Künstler-
ruhms unseres Meisters ist seine Beru-
fung nach Mainz, wo er die Rokoko-
kirche zu St. Ignatius mit hervorragend
schönen Fresken schmückte. Es ist be-
zeichnend und bedauerlich für Enderle,
daß diese seine Arbeit bis in die neueste
Zeit heraus als ein Werk eines der be-
deutendsten FreskoMaler des 18. Jahr-
hunderts, des kurtrierischen Hofmalers
Januarius Zick, galt. Die Kirche wurde
schon 1866 restauriert und damals noch
nicht als Werk Enderles erkannt. Erst
seit der letzten Restauration durch Pro-
fessor Waldemar Kolmsperger (Mün-
chen) sind sie mit ihrem wahren Meister
wieder in Zusammenhang gebracht wor-
den. Doch ist es für Enderle jedenfalls
eine hohe Ehre, daß er mit Zick in sei-
nen Leistungen ans die gleiche Stufe ge-
stellt wurde durch diese Verwechslung,
wenn es auch bedauerlich bleibt, daß der
wahre Meister so lange unbekannt und
ungewürdigt blieb. Es ist nun kein
Zweifel mehr, daß sich Enderle mit die-
sem Werk in die Reihe der ersten Grotz-
maler der Spätbarockzeit gestellt hat.

Die Malereien behandeln das Leben
und das Martyrium des hl. Ignatius,
Bischofs von Antiochien, in vier größe-
ren und einer Anzahl kleinerer Bilder,
die Enderle im Jahre 1774 schuf. Das
räumlich und malerisch bedeutendste ist:
„St. Ignatius in der Arena in Rom"
mit einer prächtigen Löwengruppe. Hier
zeig sicht Enderle als einen vorzüglichen
Tiermaler. Dazu boten ihm seine son-
stigen Arbeiten reichlich Gelegenheit.
In den Szenen von der Geburt Christi
 
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