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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 36.1918

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Nr. 2
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König: Die Veitskapelle in Mühlhausen a. N.
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https://doi.org/10.11588/diglit.21063#0031
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Organ des Nottcnburger ?iözesan-KilnßttkeillS.

Redigiert von Stadtpfarrer Rudolf Weser, Ulm-Söflingen. ! A. g. XII?

(Eigentum des Rottenburger Diözesan-Runftvereins e. v.; —--^

Kommissions-Verlag und Druck der 7Iktien-Gesellschaft Deutsches Volksblatt in Stuttgart.

Erscheint in Vierteljahrsheften. Preis durch die Post halbjährlich M. 2.25 ohne XXXVI.
Ws* 2 Bestellgeld. Durch den Buchhandel sowie direkt von der Verlagshandlung tatO
‘ Akt.-Ges. Deutsches Volksblatt in Stuttgart pro Jahr M. 4.50.

Die Veitskapelle
in Mühlhausen a. XI.

Von Expositus König in Horn.

Eine Stunde von Cannstatt, da, wo
das Neckartal malerisch sich engt, liegen
zwei uralte Dörfer sich gerade gegen-
über. Der Wanderer steht hier sM
und genießt das schöne Bild. Rechts !
des Flusses zeigt sich ihm das Dorf
Hosen mit seiner stattlichen Burgruine
und links liegt Mühlhausen a. N. mit >
seinen malerischen Kirchen. Er ist sich j
alsbald klar, daß er alte Stätten vor
sich hat, und finge er zu graben an, er
müßte aus römische Mauern stoßen. —
Diese Vergangenheit lockt auch uns.
Mitten im Tors Mühlhausen überragt
der einfache Turm einer kleinen goti-
schen Kirche die Umgebung — es ist die
in der Kunstgeschichte wohlbekannte
Veitskirche. Zu allen Zeiten war sie
das Ziel der Kunsttvallsahrer, bekannt
als „Schatzkästlein mittelalterlicher
Kunst". Je mehr man sich dem alten
Bau nähert, desto deutlicher wird seine
Sprache. Hier wirkt die Einfachheit.
Zu schlichter Größe erhöht das Eben-
maß den Bau und der sparsame und sin-
nige Schmuck. Seine ganze Länge be-
trägt 100 Fuß, die Breite 40 Fuß, die
Breite des Turmes 20 Fuß. Flach ab-
gedeckt ist das Schiss, an das sich im
Westen der schlichte Turm anlehnt; im
Osten schließt im halben Sechseck ge-
schmackvoll der Chor die Kirche ab, unter
einem Dach mit dem Schiss. Zweifach
abgesetzte Strebepfeiler, am Chor mit
Blendmaßwerk verziert, stützen die
Mauern; ein Kranzgesims läuft um die

ganze Kirche. Aus der nördlichen und
südlichen Langseite ermöglichen zwei
Spitzbogenportale den Eingang zur
Kirche in hiibscher Gliederung. Das
Bogenfeld füllt eine Steinplatte, ge-
tragen von meisterhaft gefertigten Laub-
werkskonsolen. Auf der Steinplatte des
nördlichen Portals befindet sich ein
Wappenschild von strenger Form, aus
dem drei Mühlhauen äit sehen sind mit
hübschem Helmschmuck darüber. Zu bei-
den Seiten des Schildes ist in gotischen
Minuskeln zu lesen:

do . man. zalt . von . gottes . gebürt.
M . OCC . LXXX jar . an . dem . men-
dag . vor . sant . Urbans. Dag . wart .
dis . capell. angehebt. von . dem . erbn.
man . renhart. von . mülhusen . bürg .
zu. Prag.

Aus dem Bogenfeld des südlichen Ein-
gangs ist dasselbe Wappen zu sehen nüt
etwas verändertem Helmschmuck; die
Schrift ist lateinisch und besagt dasselbe
wie auf der Nordseite.

Wer die Kirche betritt, ist überrascht.
Von allen Wänden und Decken grüßt es
hernieder in bunter Pracht. Wenn auch
halb verblichen, so bannen heute noch
den Beschauer die alten Wandgemälde,
die bunten Altarbaldachine 'in ben Ecken
des Schisses, interessante Altarschreine,
kraftstrotzende Renaissancedenkmäler zu-
sammen mit dem Schmuck der alten
Holzdecke und der auf acht bemalten
Holzpfeilern ruhenden Emporbühne über
den am Boden betend hingestreckten Ge-
stalten: das alles vereinigt sich zu ein-
heitlicher Stimmung ohnegleichen, und
zwar trotz der verschiedenen an der Aus-
schmückung beteiligten Zeiten.
 
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