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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 36.1918

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Nr. 2
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König: Die Veitskapelle in Mühlhausen a. N.
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https://doi.org/10.11588/diglit.21063#0046
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penbögen den mit stilisierten Wolken
bemalten, ebenen Plafond tragen. Un-
ter dem nördlichen steht noch die alte
mensa mit dem Flügelaltärchen. Beide
haben ein ziemlich altes Fensterchen . . .
man hat sodann die Frage aufgeworfen,
ob die hier wie anderswo am Anfang
der Bögen vom Pfeiler nach der Wand
gezogenen Eisenstangen etwa als Vor-
hanghalter angebracht gewesen seien, so
daß die Ciborien wie die Altäre der
ersten Jahrhunderte während der gan-
zen Messe oder eines Teiles derselben
abgeschlossen worden wären. Die Frage
wird zu verneinen sein. Die Eisenstan-
gen sind schon der Art ihrer Anbringung
nach lediglich als Verankerungen anzu-
sehen, die den nicht aus Schub und Druck
veranlagten Pfeilern die nötige Gegen-
kraft gegen die Gewölbe des Jnnen-
raums verleihen" (cf. Keppler, Archiv
für christl. Kunst, 1888). Diese Worte
geben uns ein Bild von einem Ciborien-
Altar. Die Streitfrage betreffs jener
Eisenstangen ist eine Veranlassung, et-
was näher auf jene Art von Altären
einzugehen.

Unter KißüQLov, dessen Ethymolo-
gie von den neueren Archäologen ver-
schieden angegeben wird (die becherar-
tige Fruchthülse der Kolokasia), bezeich-
nete man die freistehende, von vier Säu-
len getragene Ueberwölbung des Alta-
res, von welcher jenes Gesäß ans kost-
barem Material in Taubensorm oder
turmartig geformt zur Aufbewahrung
der hl. Eucharistie herunterhing. Im
achten Jahrhundert wurde die Bezeich-
nung KißcoQiov dann ans das Gefäß
selbst übertragen, die es heute noch
führt. In den 'ersten Jahrhunderten
hatte der Ciborium-Altar mit seinen
Vorhängen (vela, tetmvel-a) mehr sym-
bolisch-rituelle Bedeutung (cf. Bock, Or-
gan des christl. Kunstvereins für Deutsch-
land, 1868). Zu Beginn der hl. Messe
waren sämtliche Seiten des Altares mit-
tels vela verschlossen. Während dann
der Priester, die Stufen hinaussteigend,
die „oratio voll" betete, schlugen die
Assistenten die Vorhänge zurück. Vom
Sanktus bis Communio waren die vela
wieder geschlossen und der Priester un-
sichtbar. Im Mittelalter, wo die tex-
tile Ausstattung der Kirchen allgemeine

Geltung hatte, pflegte man besonders
die Nebenaltäre mit Seitenbehängen zu
versehen, welche dazu dienten, von die-
sen im Schiff der Kirche ausgestellten
Altären das störende Hinüberschauerl
der Umstehenden sernzuhalten. Die Re-
naissance hat mit all diesen Vorhängerr
aufgeräumt und geblieben sind hin und
wieder die zwischen den Säulen befe-
stigten Stangen. —- Solche Stangen
befinden sich auch noch an den Ciborien-
Altären in Mühlhausen. Doch machen
dieselben, wie Keppler wohl richtig meint,
nicht den Eindruck von Vorhangstangen-,
dafür sind sie schon zu massiv und zu stark,
auch zu hoch .angebracht. Sie sollen
offenbar den freistehenden Pfeiler ver-
ankern.

Der ehemals unter dem rechten Bal-
dachin in Mühlhausen befindliche Altar
ist verschwunden; man glaubt jedoch,
dessen Kasten in der Sakristei der Wal-
purgiskirche in Mühlhausen zu besitzen,
lieber dein ehemaligen Altar sieht man
nur noch ein älteres, an die Wand des
Schiffes gemaltes Bild auf rotem
Zinnobergrund: Christus am Kreuz,

rechts davon Maria und die hl. Katha-
rina mit dem Schwert, links den beten-
den Johannes und die hl. Margarita,
den Drachen irn Arm. Am rechten Ci-
borium ist eine tiefe Wandnische, in
welcher „eine trefflich geschnitzte Gruppe":
Maria, Johannes, Magdalena. Platz
geftinden hat (cf. Keppler, Württem-
bergs Kunstaltertümer).

Unter dem linken Baldachin ist der
Altar noch vorhanden. An der Staffel
sind, heute fast ganz vergangen, die
14 hl. Nothelfer gemalt. Im Schrein
sieht man den hl. Petrus mit den
Schlüsseln in der Mitte, neben ihm den
Täufer Johannes mit dein Agmus Dei
und den Apostel Paulus mit Schwert
und Buch; die Figuren sind bemalt,
die Mäntel vergoldet. Die Altarslügel
sind auch hier bemalt mit Darstellungen
aus der Legende des hl. Johannes
Evangelist. Auf der Innenseite rechts
ist der Heilige dargestellt im Priester-
kleide, betend neben einer Grube, um-
geben von Volk und Knechten. Dahin-
ter wird eine offene gotische Kirche sicht-
bar mit Chor und reich ' geschmückten
Altären; links ist derselbe Heilige feg-
 
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