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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 36.1918

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Nr. 4
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Rohr, Ignaz: Schwabenstreiche am Straßburger Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.21063#0105
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schmale Brücken mit dem Turmmassiv
verbunden, sind sie architektonische Wage-
stücke und in ihrer glücklichen Verbindung
von Festigkeit und Anmut künstlerische
Musterleistungen. Die Freude des Archi-
tekten an ihnen war denn auch so groß,
daß er sie in verkleinertem Maßstabe
zweiunddreißigrnal wiederholte, nur die
Verbindungslinien des unteren Helm-
randes zur Spitze auszufüllen. Trotz
der Häufung leidet die Klarheit der An-
ordnung nicht. „Ruhe! in Bewegung",
das Merkmal antiker Kunst, zeichnet auch
diese Partie aus. So war das Riesen-
werk dann vollendet. Dessen Gesamtein-
druck bleibt ein grandioser, und Klerus,
Rat unb Bürgerschaft schätzte sich glück-
lich, die Arbeit eines halben Jahrtau-
sends zu gedeihlichem Abschluß gebracht
zrr sehen. Zwei Jahrhunderte später
drohte ihr allerdings die Gefahr, durch
einen richtigenSch w a b e n st r e i ch,
wie man ihn „da draußen in der Welt"
gewöhnlich faßt, die Verunstaltung doch
noch heraufbeschworen zu sehen, die En-
singer glücklich vermieden hatte. Näm-
lich im Jahre 1665 machte der damalige
MiinsterwerkMeister Hans H e ck l e r
aus D e n k e n d o r f den Vorschlag,
auch den zweiten Turm auszubauen.

Die Stelle von Meister Hiiltz war
nicht unbesetzt geblieben, obgleich der
Bau abgeschlossen war. Es gab immer
wieder Reparatuve'n. Namentlich der
Blitz sorgte dafiir, daß die Bauhütte in
Hebung blieb. Schlug er doch im Jahre

1623 dreimal, 1626 und 1626 je einmal,

1624 gar fünfmal ins Münster. Nur
1642—54 gab es keinen Werkmeister, da
aber ließ eine neue Katastrophe das Amt
Wiedererstehen. Es war ein Wetterschlag,
„daß nicht allein der gantze Helm und
Creutz dadurch zersprengt und mangel-
haft worden und erheischender Norourft
nach der gantze Helm und Krön big auf
die kleinen Stäffelein müssen abgehoben
werden". Also annähernd das ganze
Hültzsche Werk war beschädigt. „Zu die-
sem großen Unglück war noch dieses
Gliick, daß eben aufs diese Zeit des alten
verstorbenen Werckmeisters Sohn Hans
Georg Häckler von seiner Wanderschafft
zu Haus wider ahngelaugt, welcher dann
aufs Befehl der Herren Pfleger sich mit
etlichen Personen anff den sehr zerspell-

ten (?) Thurm begeben undt drey geriist
libereinander gemacht und die schadhaff-
ten Teile abgehoben, darauft Sambs-
tags den 17. Juny die Gerüste wider hin-
weggethan. Und ist von dem zersmeter-
ten Thurm abgehebt worden 37 Schuh
undt 9 Zoll, von dem Obersten ist abge-
schmissen worden 12 V Schuh. Ist also
in allem abgethan worden ahn der Höhe
60 Schuh 3 Zoll, welches ein eilenden
Anblick gelaßen, darauff man alfobalden
die ahnstalt gemacht, eine große Anzahl
schöner Stein von Greßweyler hinder
mußig liegend herein zu schaffen, umb
das Werk ahnzugreiffen, damit der schön
und in aller Welt berühmbte Thurm
wider möcht repariret undt in vorigen
Standt gesetzet werden."

Mit Genugtuung wird d>ann zrinr Jahr
1656 berichtet, Häckler fei Dienstag den
16. Juni so weit gekommen, „daß der
Knopfs anffgestellt undt also gantz fertig
worden, nachdem es dato 3 Jahre imb1
10 Tage gewesen, daß durch Gottes Ver-
hüngnuß daßselbige auch anff einen
Dienstag zerschmettert worden. Der all-
gewaltige Gott, inn dessen Handt alles
stehet, wolle dieße liebe Kirch undt Mün-
ster ferners vor allem Unfall undt Ver-
derbung genädiglichen zuhalten ltnbt be-
wahren, so lange die Tage deß Himmels
weren. Amen. Amen. Dabey ist sonder-
lichen zu wißen, daß der neue Knopfs
viel ansehnlicher bau der erste geweßen.
Mit dieser Umbschrifft aufs den goltgul-
den stehet: Verbum tuum Christo

serva."

Es ist begreiflich, wenn die intensive
Beschäftigung mit dem Turmriefen und
der glänzende Erfolg bei seiner Repara-
tur in dem jugendlichen Baumeister die
Lust weckten, das Straßburger Wunder-
werk ,/auszubauen" und dem Nordturm
einen Südturm an die Seite zu geben.
Aber es ist erfreulich, daß er mit seinem
Vorschläge nicht durchdrang. Merkt man
dein einen Turme heute noch an, daß
die Architekten Mühe hatten, dem massi-
gen Unterbau einen entsprechenden Ab-
schluß zu geben, und daß sie sich immer
wieder zu neuen Zutaten genötigt sahen,
so wird man sich auch darüber klar , sein,
daß zwei solcher Kolosse nebeneinander^
sich gegenseitig erdrückt und das Münster
und das Stadtbild verunziert hätten.
 
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