Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 36.1918

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Bantle, Hermann Anton: In unseren Kirchen muß die Freskomalerei wieder gepflegt werden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21063#0110
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
108

gemalt wurde. Auch Deutschland pflegte
schon frühzeitig die Kalkmalerei. An
Reichenau, Burgfelden, Schwarzrheindorf
sei erinnert; mit dem tiefen Drang des
Nordländers aber wird die Farbe hier
schon gefühlvoller Ausdruckträger näher
dem rein malerischen als dem ausschließ-
lichen Architekturdilenste. In unseren
vielen und herrlichen Barock- und Zopf-
kirchen, neubefruchtet durch Tiepolos
Wirken im Würzburger Schloß, feierte
sie hohe Triumphe, starb aber mit der
Beschränkung der folgenden Baukunst
beinahe aus.

Des kunstfördernden Königs Ludwig
des Ersten Plan, den Freskalstil neuer-
dings in Deutschland einzuführen, ver-
lor sich an der Verständnislosigkeit seiner
Maler und Zeitgenossen sehr bald. Pe-
ter Cornelius jüngstes Gericht blieb die
bedeutendste Schöpfung der königlichen
Künstler. Und doch verdanken wir jener
Bestrebung die allgewaltigste neudeutsche
Freskalschöpfung, die wetterleuchtend in
der Westecke Deutschlands, im Aachener
Rathaussaale von deutschem Geist, dcut-
schem Willen und deutscher Empfindung
glüht und sprüht. Aber der Funke zün-
dete nicht: die Verständnislosigkeit für
das Große ward typisch geworden. Die
nicht verstandenen Kompositionen woll-
ten die Ratsherren übertünchen lassen.
Rethel verbitterte und starb in Geistes-
nacht. Haiis v. Maries, ein geborener
Freskomaler, erhielt in Deutschland keine
Wände. Nur im deutschen Aquarium
zu Neapel offenbart uns die Rhythmik
seiner Fresken sein außergewöhnlich
stark monumentales Talent. In neue-
rer Zeit setzten noch die Düsseldorfer
'Nazarener, Deger, Ittenbach und die
beiden Müller in der St. Apollinaris-
kirche zu Remagen am Rhein, Gegen-
bauer, der Schwabe, in der Residenz
Stuttgart, im Frankfurter Dom und
Straßburger Münster Eduard Steinls,
in ihrer Mauruskapelle die Beuroner
Schule mit ernster Freskotechnik ein.
Weitere Anläufe verloren jede Beach-
tung oder Beförderung, blieben unbe-
fruchtete Einsätze inmitten einer Inter-
essen tan heit aller Kreise.

In gut und Jahre gelagertem Kalk zu
malen, mit dem nie korrigierbaren ersten
Hieb richtig gu treffen, setzt eine starke

Begabung von entschlossener Kraft,
Sicherheit, Erfahrung und Können vor-
aus. Die neuzeitigen Maler, am Staffe-
leibi.de für eine freiere Kunstausübung
erzogen, sind für das Freskobild zu be-
quem geworden. Erwächst ihnen der
Auftrag, Wandbilder zu malen, dann
sind sie von malerischen Tendenzen be-
fangen und bilden vergrößerte Staffe-
leibilder, wie wir sie dutzendweise in un-
seren Kirchen vorfinden, da der innere
Geist der Architektur und ihre Konstruk-
tion sich ihnen nicht offenbart. Die Ein-
lebung in die gebundene Architektur,
die Beseelung der. Konstruktion durch
Lineatur und Farbigkeit ist starke Wil-
lenstat, strahlt, wenn formal und stoff-
lich, subjektive und objektive Elemente
zur Totalität des tragischen Erlebens
im Brennpunkte sich schneiden, machtvoll
auf jene Aufnehmenden aus, die see-
lischen Erlebens fähig sind. In der
Neuzeit hat man auch dieses verlernt,
denn die Kunst wird nur mehr studiert,
aber zum Erleben ihres Inhaltes findet
man keine Zeit mehr. Wie wenig noch
die neuere Malerei die Monumentalität
erfaßt, empfindet man in Fischers Pfnl-
linger Hallen, die fiir die Pflege der
Wandmalerei gebaut wurden. Raum-
echt empfunden, erlebt unb eingebaut
hat seine Komposition dort nur Brühl-
mann; auch sein transparentes Kolorit
kommt der Kalkfarbe am nächsten.
Schade, daß es keine wirklichen Fresken
sind. Diese konstruktiv architektonisch,
innerlich -erlebte Kunst, so schwer sie tech-
nisch wie kompofitionell zu erobern ist,
muß wieder in unsere Kirchen, in die
Welt des Geistes, die sieghaft über die-
ser sichtbaren Vergänglichkeit thront,
neu eingöbrächt werden. Bauwerke, de-
ren Wände wir mit Fresken bemalten,
deren Lichtquellen durch farbig gebun-
dene Verglasungen wir ins Uebersinn-
liche zu vergeistigen vermöchten, wären
Denkmale für kommende Gesehlechter,
znkunftverheißende Offenbarungen. Wäh-
rend des chaotischen Bettelngehens zu
älteren Stilen, im Mangel einer neu-
zeitigen Architektonik, konnte sich das
Fresko nicht entwickeln. Der sehr be-
rechtigte Ruf nach dieser Maltechnik
kann weltbewegend in die Erscheinung
treten, sobald die Bankünstler aus eige-
 
Annotationen