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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

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Nr. 2 (1919)
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Rohr, Ignaz: A. Bantles Kreuzweg zu Oeflingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0045

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Pilatus irgendwie zu mildern, und ihm
dabei doch kein Unrecht getan. Der ge-'
fchichtliche Pilatils hat ja schließlich den
Herrn verurteilt, weil inan ihm mit
Verlust der Freundschaft des Kaisers
drohte, also noch gemeiner gehandelt, als
ihn der Maler handeln läßt. Daß er ihn
aber gerade so handeln und den Heiland
der Staatsräson opfern läßt, ist ver-
ständlich in einer Zeit, die so oft die
Losung wiederholte: right or wrong —
my country. —

Auch die zweite Station zerfällt in
zwei Hälften mit se einer Figur. Die
eine füllt, in dunkler Hautfarbe von
heller Wand klar sich abhebend, der Hen-
kersknecht, der, an den Knien sich beu-
gend, das Kreuz hebt, um es dem Herrn
aufzuladen. Dieser, in lichtem Gewand
aus öunkelm Hintergrund heraustre-
tend, hat die Hände erhoben, um die Last
und alle die weiteren Opfer auf sich zu
nehmen und die Kraft von oben sich da-
für zu erbitten. Willkomm ans Kreuz,
Ergebung in den Willen des Vaters und
Vertrauen auf seinen Beistand atmet
die Gestalt.

Die dritte Station ist von der zweiten
nur durch einen schmalen, gelben Strich
getrennt, der Hintergrund ist jedoch
etwas dunkler gehalten. Das Kreuz ist
beinahe die Diagonale der Bildfläche:
Christus ist unter demselben ins Knie
gesunken. Seine Haltung aber ist bei-
nahe mehr die eines Betenden, als eines
Fallenden, und sein Blick ist vorwärts
und aufwärts gerichtet, als wolle er sich
für sein Ziel aufmuntern. Der Henker,
der ihn am straff angezogenen Strick
führt, hat sich, unwillig über die un-
gewollte Verzögerung, umgewendet und
fordert energisch, aber nicht roh, zum
Vorwärtsschreiten auf. Das Ziel ist leise
angedeutet in dem unten rechts (vom
Beschauer) ansetzenden Berg.

Die vierte, fiinfte und sechste Station
ziehen sich, je nnr getrennt durch ein
schmales, ornamentiertes Band, über
dem Südportal hin. Der Hintergrund
aber ist nicht bei allen im selben Ton ge-
halten. Die vierte Station hat nur zwei
Figuren: Jesus und seine Mutter.

Maria ist in ein graues, das Haupt mit-
bedeckendes Gewand gekleidet; nur das
Angesicht und die Hände ragen aus dem-

selben hervor, die Züge des Allgesichts
nur angedeutet, scheinen aber das Stre-
ben zu künden, sich stark zu zeigen, zu
trösten, einen Halt zu bieten. Hinter
ihrer Gestalt schwebt wagrecht ein großes
Schwert. Christus schleppt sich mit ge-
bogenen Knien unter der Last dahin. In
seinem Angesicht mischen sich Staunen
und Wehmut, daß der geliebten Mutter
dieser furchtbare Anblick nicht erspart
blieb.

Die fünfte Station zeigt die beiden
Kreuzträger hintereinander: Jesus und
Simon von Cyrene, also wieder tun:
zwei Gestalten. Sie tragen das Kreuz
horizontal, so daß es annähernd parallel
geht mit dem Fenstersims darüber. Mir
schwankendem Körper, aber das Kreuz
krampfhaft festhaltend, schleppt sich Jesus
dahin. Simon, gebeugt wie Christus,
in bläulich-grauen Mantel gekleidet und
mit der Rechten der: Wanderstab füh-
rend, schreitet sinnend, rrnd als betrachte
er die Fußspuren Christi und die Ehre,
irr ihnen wandeln zu dürfen, hinter ihm.
Tiefes Nachdenken spricht aus seinen
Zügen. Die Rätsel des Kreuztragens und
des Kreuzträgers vor ihm beschäftigen
ihn. Aber feine ganze Haltung läßt
hoffen, daß er die Lösung findet.

Die sechste Station, durch das Kreuz
Christi wieder beinahe zwiegeteilt, hat
drei Figuren: die Hauptfigur Christus,
der von Veronika das Tuch entgegen-
nimmt, Veronika, ihm zrrr Seite kniend,
und den Schergen, der mit einem ästigen
Stecken nach dem Riicken Christi stößt
und vorwärts drängt. Christi Gesichts-
ausdruck ist verwundert über den un-
erwarteten Beweis der Teilnahme,' seine
Züge viel lebendiger als sonst. Das er-
fahrene Mitleid hat sie belebt.

Die siebente Station schildert den
zweiten Fall: Christus ist in beide Knia
gesunken, hält aber das Kreuz mit der
einen Hand fest, mit der anderen stützt
er sich auf dem Boden auf, um nicht ganz
zusammenzubrechen. Sein Haupt ist
aufgerichtet, sein Blick geweitet, als
wollte er zur Selbstausm u nterung das
Ziel scharf ins Auge fassen. Der Henker
sucht ihn am Strick vorwärts zu ziehen
und holt wieder mit dem Stock aus
Aber sein Gesichtsausdruck ist nicht roh
sondern beinahe so, als wollte er sich ent-
 
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