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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

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Nr. 2 (1919)
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Rohr, Ignaz: A. Bantles Kreuzweg zu Oeflingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0047

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39

Die letzte Station malt eine Grab-
kammer mit einer grauen Marmor-
glatte: an deren rechten: Ende (von:
Beschauer gerechnet) steht eine bren-
nende Lampe. Vor der Marmorplatte
lagert ein etwas niedrigerer Marmor-
block und trägt den bis gnu Brust in
ein Leichentuch gewickelten Leib Christi.
Der rechte Arm ist frei: ine Brust ge-
wölbt, als wolle sie zu neuein Lebens-
odem ausholen. Ein rötlicher Heiligen-
schein umschwebt das Haupt. Von links
tritt eine barfüßige Frauengestalt her-
ein. In der einen Hand trägt sie eine
brennende Lampe; mit der andern hält
sie einen grünen Zweig vor die Bpust.
Mit niedergeschlagenen Augen und ge-
radeaus gerichtetem Angesicht schreitet
sie vorwärts, als wollte und könnte sie
den Leichnam nicht sehen. Daneben
steht die Inschrift: H. A. Bantle, pinx.
1916—1919.

Eine Art Zusammenfassung erfahren
die 14 Stationen in dem Bilde der
Ostwand des Chors: der Gekreuzigte
mit Maria und Johannes. Es geht bis
zum Ansatz dhr Gewölberippen, hat
rechtwinkligen Abschluß, violetten Hin-
tergrund, und die lleberschrift: ,Stat
crux, dum volvitur orbis. Zur Rech-
ten des Gekreuzigten steht Maria, in
rotbraunem Gewand, den Mantel über
das Haupt gezogen, die Hönde betend
und mitopfernd bis über die Schultern
erhoben. Ihre Haltung läßt ahnen,
daß sie am Ende der Kraft angelangt
ist, daß sie Zusammenzusinken droht
und nur noch von da Stärke erwartet,
wohin ihre Hände weisem Auf der an-
dern Seite steht Johannes, in weißem
llntergewand und einem mit eine
Nuance ' helleren rotbraunen Mantel,
als sein Gegenüber. Er ist nicht der
blonde, anmutige Jüngling der tradi-
tionellen Kunst, sondern gereift, ernst,
fast herb in seinen Zügen. Sie künden
Wehmut, Andacht, Ergriffensein von
seiner Funktion: das der Seitenwunde
Christi entströmende Blut iü dem mit
beiden Händen gehobenen Kelch aufzu-
fangen, bis auch dtr letzte Tropfen ver-
gossen ist, und es zu wahren und weiter-
zugeben an die e rföfim gs b edürftige
Welt. In der Mitte hängt Christus,
eine wuchtige, markige, monumentale

> Figur. Hat sein Blick auf allen vier-
zehn Stationen den Beschauer geflissent-
lich gemieden und sich nur mit sich selbst
und der eigenen Aufgabe beschäftigt, so
bannt er hier vom Kreuze aus aller
Äugen auf sich, richtet seinen Blick for-
schend, ja durchbohrend, auf die Ge-
meinde, als faßte all die Opfer und
Leiben zusammen, die er sich ihre Ret-
tung hat kosten lassen, und forschte er
nach den Früchten, die sie bei ihnen ge-
bracht, oder als halte er ihnen vor, wie
auch sie durch ihre Sünden zu Frevlern
und Schergen und Henkern an ihm gr>
worden. Das ist nicht der Jesus, der
zum Himmel klagend ruft: Mein Gott,
warum hast du mich verlassen! auch
nicht der, der fleht: Verzeihe ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun; viel
eher hat man ein Recht, ihm iüc Im-
st roperien in den Mund zu legen und
ihn mit dem Volke Abrechnung halten
zu lassen. Popule meus, quid feci
tibi, aut in quo contristavi te? re-
sponde mihi! „Sie werden schauen, den
sie durchbohrt haben", das ist die Losung,
die von diesem Christus ausgeht. Die
j neutrale Haltung während des ganzen
! Kreuzwegs ist plötzlich verlassen und
! der Gekreuzigte setzt sich mit denr Be-
schauer über seine eigenen Leistungen
und dessen Gegenleistungen auseinander.

; Bedenkt man, daß die ganze Gruppe
1 die Altarwand abschließt, daß der Prie-
ster am Altäre denselben Dienst voll-
zieht, loie Johannes über ihm int Bilde:
die Entgegennahme des kostbaren Blu-
tes und die Weitergabe zum Heil der
Gemeinde, so ist das Bild zugleich das
beste Geleit zur heiligen Messe.

In das Gewoge der Welt- und
Kriegsereignisse hat der Künstler selber
das Bild gerückt durch die Unterschrift:
Blutjahr Dez. 1916. Das Blutopfer
des Weltkrieges wird also in Beziehung
gebracht zu dem Blutopfer auf Golga-
tha und will in seinem Lichte betrachtet
werden. Die Mütter und Freunde, die
ihr Liebstes hingebstn mußten, sollen
daran erinnert und dainit getröstet wer-
den, baß der Vater und Maria den
Sohn und daß der Sohn sich selbst
geopfert für das Heil der Welt,
daß sein Tod das Leben für' viele
war, daß er siegte, dg er besiegt zir
 
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