Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

DOI issue:
Nr. 2 (1919)
DOI article:
Rohr, Ignaz: A. Bantles Kreuzweg zu Oeflingen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0048

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
40

sein schien, Laß er das Schicksal der
Hinterbliebenen, die ihm getreu blieben
bis unter das Kreuz, in seinem letzten
Willen unauflöslich aneinanderkettete.
Und gerade hier, wo der Donner der
Geschütze von B-elfort und Altkirch, non
Mülhausen und vom Hartmannsweiler
Kopf aus nächster Nähe herüberdröhnte,
mag die Sprache des Bildes besonders
gut verstanden word-'n sein.

Der Künstler mag also Wohl eine
ganz bestimmte Absicht gehabt haben,
wenn er bei einzelnen Stationen die
Entstehungszeit anfügte, z. B. bei der
Annagelung: „Pfingsten 1919", bei der
nächstfolgenden Station-: „Fehruar

1917", bei der fünften: „Mai 1919",
ebenso bü der sechsten. Er wollte offen-
bar seine Werke aus den Zeitereignissen
und der Zeitstimmung heraus verstan-
den wiss'.m, das Schicksal des eigenen
Volkes mit dein Schicksal des leidenden
Heilandes vergleichen lehren und den
Trost des einen zum Trost des and. rn
machen. So betrachtet, reden die Sta-
tionen allerdings so deutlich und ein-
dringlich als das Chorbild, nnb der Lie-
besdienst Simons und Veronikas, die
hämische SieAesfreude des Juden bei
der Annagelung, die Frechheit des
Graubarts, der dem Heiland das Ge-
wand vorn wunden Leibe reißt, das
Sichherabneigen der den entseelten
Leichnam des Sohnes auf dem Schoß
tragenden Muttergottes git Magdalena
und deren Anschmiegen des Hauptes
an das des Toten besagen noch mehr,
als sie sonst sagen würden. Bantles
Kunst ist Ausdruckskunst.

Wie ist sie nach der technischen Seite
zu werten? lieber die Beschränkung
der Zahl der Figuren und Farben und
die Vereinfachung der Formen ist kein
Wort mehr zu verlieren. Daß die Aus-
drucksfähigkeit darunter nicht gelitten
hat, dagegen der harmonische Zusam-
nwnklang mrt der Architektur gefördert
wurde, ist bereits betont. Und bei all
dem ist der Künstler nicht oberflächlich
N»rfahren. Man betrachte einmal, wie
bei den verschiedenen Christusbildern
durch das Gewand hindurch bald das
Sichausraffen, bald die Müdigkeit, bald
der drohende Zusammenbruch dargestellt
ist, oder wie Maria b'üm Chorbild alle

persönliche Kraft ausbietet und um
Stärke von oben bittet, um nicht in sich
selber zusammenzusinken — oder man
beachte die verblüffende Sicherheit, mit
diw der Oberschenkel des annagelnden
Schergen in seiner perspektivischen Ver-
kürzung gezeichnet ist, und man be-
kommt Achtung auch vor dem technischen
Können Bantles. Und die beiden Har-
unen gel an der Orgelempore schließen
sich dem würdig an. — Alles in allem:
ein hervorraglmdes, gehaltvolles, viel-
sagendes Werk, zu dem der Künstler
wie die Gemeinde und nicht zuletzt
deren Pfarrer zu beglückwünschen ist.
Es mag ihm eine Genugtuung und eine
Entlastung gewesen sein, als er den
Schlußvers unter das ganze, mit Bau
und Bemalung, die Zeit 1902—1919
ausfüllende Werk setzen konnte. Es
mag manchen Kamps gekostet haben, bis
der Plan alle Instanzen glücklich durch-
laufen hatte, und es hat viel Mühe ge-
braucht, bis das fertige Werk dem Ver-
ständnis der ganzen Gemeinde erschlos-
sen war. Aber sie wurde nicht gescheut.
Jeder Stand wurde an einem besondern
Tag von Station zu Station geleitet
und in deren Geheimnisse -eingeführt.
Daß sie begriffen sind, beweisen die
Beter, die Referent zu völlig ungewohn-
ten Stunden vor denselben fand, und den
Zweiflern sagt es der Zulauf von Frem-
den, die Oeflingen bis jetzt nicht ge-
sehen, daß es einen neuen Anziehungs-
punkt gewonnen hat.

Im Geiste Giottos hat Bantle gemalt
und damit zurückversetzt in die Zeit des
Niedergangs der deutschen 'Käiserherr-
lichkeit nach dem Sturz der Staufer.
In der Volksseele aber blieb jene Herr-
lichkeit unvergessen und wohlverwahrt,
bis sie zu neuem Leben erwachte. Möge
sie die alte Unzerstörbarkeit auch nach
dem neuen Zusammenbruch bewähren.

Li n m -e v t u it g : Der Künstler Ist Hohen-
zoller von Geburt, steht Irrt 47. Lebensjahr,
bildete sich in Deutschland und Italien aus,
malte u. u.,zwei Altarblätt-er in die Kirche
von Mittelbexbach bei iHomburg (Pfalz), zwei
Bilder in der Kirche zu Lüllingen, Fresken in
d>er Kirche^ zu Di-ehen und Dettlingen (Ho-
henzoll-ern), ein Wandbild zu Bühl bei Rot-
tenbuvg, einen F-veskolveugwe-g Wein-en For-
mats zu Dhron un der Mosel, sowie Land-
schaften und Porträts. Soeben ist im Karl-
Ol z a -Kra nie nha ns zu Fvledrichshasen «ein
 
Annotationen