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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

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Nr. 3 (1919)
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Rohr, Ignaz: Zur Baugeschichte der Klosterkirche in Zwiefalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0076
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publiziert worden"). Ursprünglich han-
delt es sich offenbar nur darum, die
alte, romanifche Kirche zu verzovfen,
wie das im Jahre 1737 mit der Stifts-
kirche in Ellwangen, 1725 ff. mit der
Kirche von Ochsenhausen geschah. Die
Zahl und Stellung der Pfeiler wäre
dieselbe geblieben; nur wären sie zu
Stützen und Trägern von einer ent-
sprechenden Zahl von Kapellen und Ga-
lerien geworden, in welche die Seiten-
schiffe aufgeteilt worden wären. Die
Hauptveründerung hätte und hat nach-
mals die Türme betroffen; auch beider-
seits des Chors sollten sich Kapellen und
Galerien fortfetzen (Längsschnitt bei
Gradmann S. 92). Damit hätte sich
das Münster dem Schema der Vorarl-
berger Meister genähert (Hallenkirche,
Seitenschiffe in Kapellen aufgeteilt mit
Galerien im Obergeschoß, kurze Kreuz-
arme, Chor verengt mit Nebenchören
und Emporen, Frontturmpaar, vgl.
Gradmann a. a. O.), aber im großen
ganzen hätte es sich nur um eine Mo-
dernisierung des alten, romanischen
Kerns gehandelt. — Viel radikaler ist
der andere Schn-eidersche Plan, der dann
angenommen und den neuen Funda-
menten zugrunde gelegt, aber von Fi-
scher verlassen wurde (bei Gradmann,
Tafel V, hinter S. 94). Er geht in
den Dimensionen viel weiter, schreitet
über den bisherigen Gaftbau weg, gibt
dem Chor eine halbrunde Apsis und in
der Mitte der Langseiten je einen
Turm, dem Querschiff zwei Apsiden,
der Vierung eine allerdings durch das
Dach verdeckte, aber dasselbe immerhin
mit der Laterne überragende Kuppel,
dem Langhaus beim zweiten Fenster
(vom Ouerfchiff an gerechnet) ein Ri-
salit, der in der Mitte ausgebuchteten
Westfafsade zwei Türmchen, kleine
Türmchen auch den Langhaus- und
Chorpfeilern, soweit sie nicht in den
Bereich von Türmen oder Risalit
gehören. Das Ganze ist also ein
Kompromiß zwischen dem romanischen
Bau und dem ^Stilgefühl des 18. Jahr-

") >E. Gva-dmann, Einige Baurisse vom
Zwiesalter Münster mit w«er TextaMÜdungen
und einer Tafel (Festschrift -zur Fleier des
fünsßigjjährchen Bestehens der K. Altertümer-
fammlung in Stuttgart), 1912, S. 85 ff.

Hunderts, inspiriert vom Geiste Beers,
und Anklänge an Marchtal, Weingarten,
Weißenau und St. Gallen find nicht zu
verkennen (vgl. Gradmann S. 94).
Nun aber kommt ein Stärkerer über
den oder die Starken: I. M. Fischer
rückt auf den Plan, und fortan ist sein
Raum- und Stilgefühl maßgebend.
Freilich befindet er sich in einer gewis-
sen Zwangslage, sofern er sich oder so-
fern man ihn an die in den Fundamen-
ten bereits festgelegten Türme gebun-
den erachtet. Dadurch ist er gezwungen,
dem Hauptschiff eine wesentlich gerrn-
gere Breite zu geben, als er es sonst
tut oder als es die Zeit überhaupt liebt.
Ein Vergleich mit andern. Kirchen ist
sehr lehrreich. Bei il Gesu in Rom,
dem Prototyp für das neue Baufchema, ■
beträgt die Breite genau die Hälfte der
Länge, bei Ottobeuren beinahe zwei
Drittel, bei Weingarten ist es wieder
ähnlich wie bei il Gesu, ebenso bei
Wiblingen und Schönenberg. Bei Och-
senhausen dagegen, wo nur eine alte
Kirche verzopft wurde, beträgt die
Breite nur wenig mehr als ein Viertel
der Länge, und bei Zwiefalten, wo ein
romanischer Barr nachklingt, nicht ganz
ein Drittel. Der Eindruck der Weit-
räumigkeit, Uebersichtlichkeit und Auf-
geschlossenheit ist also nicht so groß in
Zwiefalten wie in Ottobeuren, auch
kann das Licht nicht so unbehindert her-
einfluten, wie dort. ltru> doch war ein
Künstler an der Arbeit, als die Mau-
rermeister abrückten, und machte aus
der Lage, was noch daraus zu machen
! war. Genau in der Mitte zwischen
Hochaltar und Orgelempore fügt er das
j Ouerfchiff ein, gibt ihm die Breite
zweier Pfeilerabftände des Langhauses,
steigert seinen Eindruck durch den Ab-
schluß mit» einer Kuppel und den Ver-
zicht auf Fortsetzung der Galerien der*
Seitenschiffe. Die Einschnürung des
Chors durch die Türme vermochte er
freilich nicht zu beseitigen. Aber nun
macht das Kunsthandwerk aus der Not
eine Tugjend. Meister Christian aus
Riedlingen gibt dem Chorraum mit
feinem herrlichen Gestühl eine solche
Verkleidung, und Meister Knoblauch aus
Söflingen mit dem Gitter einen derart
originellen Abschluß, daß man es ver-
 
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