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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

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Nr. 1/2 (1920/21)
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Weser, Rudolf: Die Heiligblut-Reliquiare in Weingarten und Weißenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0112

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ein marmornes Gefäß umschloß. In
diesem ruhte das bleierne Kästchen mit
der Reliquie. Dabei erhielt Adalbero
das Augenlicht. Der deutsche Papst
Leo IX. (Bruno von Toul) stellte 1049
eine neue Prüfung an und suchte die
Reliquie für Rom zu gewinnen. Den
Streit zwischen Rom und Mantua schlich-
tete Kaiser Heinrich durch bie Teilung
der Reliquie. Der Anteil des Papstes
kam in die Laterankirche, die Mantuaner
behielten ihren Teil in St. Andreas bis
1849. Einen dritten Teil trug Kaiser
Heinrich bis an seinen Tod bei sich und
vermachte ihn 1056 Balduin V., dem
Grasen von Flandern. 1063 erbte ihn
dessen Tochter Judith, die in zweiter
Ehe 1070 sich mit Herzog Welf IV. ver-
mählte. Dieses Ehepaar übergab die
Reliquie der Welfischen Klosterstiftung
Weingarten, nach der Tradition am
31. Mai 1090, an einem Freitag nach
Himmelfahrt (nach anderer Angabe am
12. Marz 1094).

1. Die Bleikapsel war nach der
Legende das e r st e R e I i q u i a r, über
dessen Form wir nichts wissen. Auch die
Form der Aufbewahrung des Kaiser
Höinrichschen Teils ist uns unbekannt.

2. Nach dem über litandarum aus
dem Anfang des 13. Jahrhunderts ließ
Abt Berchtold (1200—1232) im Anfang
seiner Regierung, jedenfalls um die Zeit
des Brandes der alten Klosterkirche 1215,
die Reliquie in einem mit Gold
und E d e l st e i n e n besetzten
K r i ft a l l verschließen.

Bon diesem zweiten bekannten
Reliquiar ist nichts mehr vorhan-
den. Aber wir besitzen noch Abbildun-
gen desselben. Nach diesen war der
Stil des Gefäßes romanisch. Es bildete
einen oben rundbogigen, unten rechteckig
schließstnden, breitrahmigen Behälter,
in welchem der Kristall eingelassen war.
Bon diesem Mittelgefäß gingen Kreuz-
arme laus, und ein romanisches Kreuz
mit rechteckig schließenden Querbalken
krönte dasselbe. Der Behälter war mit
verschiedenfarbigen Edelsteinen, der an-
schließende Raum mit einer bandartigen
oder laustartigen Verzierung besetzt.

a) Die erste Abbildung zeigt ein Bild-
nis der Gräfin Judith in der Stuttgar-
ter Gemäldesammlung des Museums ber

bildenden Künste. Das Bild aus der
schwäbischen Schule stammt aus der zwei-
ten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

b) Eine zweite Abbildung bietet ein
herzförmiges' Emailplättchen im Tiroler
Landesmuseum zu Innsbruck.

c) Eine dritte Darstellung findet sich
aüf der Jubiläumstafel von 1694. Diese
Tafel ist eine, getuschte Zeichnung, 115
Zentimeter hoch, 78 Zentimeter breit,
ausgeführt von P. Eugen Speth von
Salem. In der Mitte der Tafel erhebt
sich, von Abt Willibald Kobalt umfaßt,
ein mächtiger Westnstock, ber, mit seinen
Aesten ein Oval bildend, das alte heilige
Blutgefäß umschließt.

-cl) Ein viertes Bild weist die Ho-
sannaglocke auf, die 1490 unter Abt
Kaspar Schi egg gegossen wurde nachdem
Wiederaufbau der 1487 abgebrannten
Klostergebäude. Der Gießer ist Hans
Ernst, Büchsenmacher zu Stuttgart. Auf
dem Glockenmantel ist ein Relief aufge-
gossen, das einen Priester zu Pferde
zeigt, der mit der Rechten das Reliquiar
hält, mit dem er segnet. Hinter dem
Pferde erhebt ein auf dis Knie nieder-
gesunkener Mann seine Hand. Dies ist
zugleich die allerälteste Darstellung des
Blutritts in Weingarten. Leider ist der
Guß nicht ganz sauber herausgekommen,
so daß sich das Reliquiar nicht in allen
Teilen genau erkennen läßt. Doch so
viel geht aus dem Bild hervor, daß der
Priester eilt romanisch-gotisches Gesäß
mit einem unteren breiteren Stück und
oberem schmalerem Aufsatz in der Hand
hält.

3. Dieses romano-gotische Reliquiar,
wie wir es nennen möchten, war im
Gebrauch bis 1726. In diesem Jahr
ersetzte es Abt Sebastian Hyller durch
ein noch kostbareres Gefäß, welches der
Goldarbeiter Reuschle in Augsburg aus
massivem Gold herstellte. Es war be-
setzt mit 26 Rubinen, 16 Saphiren,
37 Smaragden, 3 Amethysten, 1 Hya-
zinth und 110 Diamanten. Für die Re-
liquie. selbst wurde ein neuer Kristall
hergestellt, der aus zwei aufeinander ge-
schliffenen Schalen bestand. Dieser Dop-
pelkristall scheint sich aber nicht recht be-
währt zu haben. Der Nachfolger Hyl-
lers, Abt Alfons Jobst, ließ einen neuen
Kristall anfertigen, der wie der alte aus
 
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