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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 37-39.1919/​21

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Nr. 4 (1920/21)
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König: Die neue Kunst, [2]: ein Beitrag zum Verständnis moderner Kunstbestrebungen$nElektronische Ressource
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https://doi.org/10.11588/diglit.22108#0140

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Kraft verjüngt würde, ehe sie in der
Schablone vollends erstarrt, war es doch
nicht verfehlt, wenn Eberz bisher der
Zugang zum heiligen -Land der Sehn-
sucht in der Hauptsache versagt blieb. Da
er selber als Künstler noch der Erlösung
harrt, ist die Zeit noch nicht gekommen,
andere zu erlösen. Da die Sendung der
kirchlichen Kunst darin besteht, „Führe-
rin zu sein zu gläubiger Andacht", so
muß alle Unruhe, alles Nervenhaste,
alles aufgeregt Ekstatische aus der
Sphäre der Kirche verbannt bleiben.

Wir geben die Hoffnung nicht auf,
daß Eberz sich noch durchringen wird zur
reinen Sphäre der religiösen Kunst.
Von einem endgültigen Urteil über sein
Schassen kann daher augenblicklich nicht
die Rede sein.

Bevor wir über den Expressionismus
im allgemeinen zu einem abschließenden
Urteil zu kommen suchen, fragen wir
uns noch, was die neuen Erscheinungen
in der Malerei und Plastik für die A r -
ch i t e k t u r bedeuten. Da ist von vorn-
herein zu betonen, daß die Architektur
in bezug aus die Unterscheidung zwischen
geistig-abstrakt und sinnlich-organisch
und in bezug auf die Verbindung beider
Begriffe viel mehr gebunden ist als
irgend eine andere Kunst, denn die Ar-
chitektur muß „die besonnenste" unter
den Künsten bleiben. — Um die Frage
zu lösen, müssen wir zunächst den Zu-
sammenhang von Architektur und freien
Künsten ins Auge fassen. Wird dieser
Zusammenhang durch ben Expressionis-
mus gelockert oder wird er noch enger?
Es ist dies eine rein praktische Frage.
Die! Vertreter (ber neuen Kunst in 'ber Ma-
lerei sind bemüht, diesen Gesichtspunkt
selber hervorzuheben. Sie weisen eben auf
die dekorativen Werte ihres Schaffens hin,
„die dem Architektonischen zustreben".
Wenn wir fragen, worin diese Werte
liegen, so würde man vielleicht zunächst
an das „Geometrisieren der natürlichen
Erscheinung" denken, was uns hier aus
Schritt und Tritt begegnet. Es wäre
jedoch ganz falsch, in solchen Aeußerlich-
keiten Anklänge an die Architektur zu
finden, weil etwa „auch ihr Wesen
geometrische GrmMage ftolfte". „Was
ein Stück Malerei architekturgemäß
macht und bewirkt, daß es im Zusammen-

hang mit räumlichen Gebilden „dekora-
tiv" genannt werden kann, liegt in an-
deren Eigentümlichkeiten begründet"
(vgl. „Expressionismus", Zeitschrift „Die
Kunst", Heft 2, 1920). Das Architekto-
nisch-Dekorative in der Malerei wirkt
sich in den Werken aller Zeiten in drei
Faktoren aus. Der erste besteht sich auf
die räumliche Auffassung, der zweite aus
die Linienführung, der dritte auf die
Farbe. Die räumliche Aufastung kann
derart sein, daß nur noch Vordergrund
und Hintergrund zu unterscheiden sind,
oder aber ist das uns geläufige Raum-
gefühl vollständig aufgehoben. Soll die
Linie architektonisch-dekorativ wirken, so
muß ihre stärkste Eigenschaft die Rhyth-
mik sein, die bereits wirkt, „ehe noch das
Gegenständliche des Bildes in Betracht
kommt". Dasselbe gilt von der Farbe.
Diese Eigentümlichkeiten stellt der Ex-
pressionismus in seinen Dienst, wobei
bald die eine, bald die andere Form
mehr betont wird. Dabei geht er mit
einem Absolutismus vor, daß es zu Ur-
teilen kommt, wie wir oben gehört ha-
ben. Durch die manchmal mit Vehemenz
gesuchte Betonung genannter drei Fak-
toren stellt der Expressionismus die Ver-
bindung der beiden Schaffensgebiete.
Malerei und Architektur, wieder her.
Der im Mittelalter erreichte Zusammen-
klang der Künste ruft heute noch in uns
die höchsten Eindrücke wach. In der
Neuzeit und besonders im 19. Jahrhun-
dert, wo das Bild als Selbstzweck ge-
schaffen wurde, war auch die Kluft zwi-
schen Malerei und Architektur die größte.
So wichtig die bisherige Frage nach der
praktischen Seite für die Welt des Schaf-
fens ist, so ist doch die andere Frage, ob
in der Architektur auch die innere
Kraft der expressionistischen Malerei
sich auswirken kann, wie wir das bei
Werken von Eberz sehen konnten, noch
wichtiger. Da ist nun die interessante
Wahrnehmung zu machen, daß die ex-
pressionistischen Forderungen in der Ar-
chitektur mit einer auffallenden Heftet»
einstimmung im Wort „gotisch" zusam-
mengefaßt werden. Selbst früher gegen-
sätzliche Architekturbetrachter sehen im
Geist der Gotik „das erlösende Prinzip"
für die bauliche Aufgabe unserer Zeit.
Die Erklärung für diese Eigentümlich-
 
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