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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Weser, Rudolf: Wengenkirche und Wengenkloster in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0028
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Bauwerk näher zu treten, das in der Reihe der Ulmer Baudenkmäler das einzige ist, dessen
Ausstattung dem Rokoko angehört. Es fällt schon gleich beim Eintritt auf, daß der Chor
nicht in der Hauptachse des Schiffes ist und daß die Oberwand des Chorbogens mit ihrer
fürs Auge unerträglichen Ausladung nach Norden hin vergebens den richtigen Ausgleich
des Verhältnisses des Chors zum Schiff sucht. Kirchen mit derartigen Eigentümlichkeiten
lassen auch auf eine eigenartige Bauentwicklung schließen und wecken unser Interesse. Zwar
gibt es keine historischen Notizen oder Bauakten, welche uns Aufschluß geben könnten. Allein
die 1921—24 erfolgte Restauration des Gotteshauses hat nicht bloß den Festglanz und
Farbenzauber des Rokoko wieder mit wohligem Licht übergosscn, sondern auch die wün-
schenswerte Aufhellung in das Dunkel der Baugeschichte gebreitet. Alles das diirfte einen
Besuch und eine Betrachtung der neuerstandenen Schönheit dieser Kirche genügend recht-
fertigen. Doch wir müssen etwas weiter ausholen und in unserer Beschreibung Kloster und
Kirche miteinander verbinden.

1. Das Wengenkloster auf dem Michaelsberge. Auf den Höhen des Michaelsberges
war es, wo die Geschichte des Wengenklosters begann. Auf dieser Höhe, wo wahrscheinlich
einst der Kult des Heidengottes Wodan blühte, war schon früh von einem Ministerialen
des Klosters Reichenau ein Michaelskirchlein erbaut worden. Mit diesem von ihnen erkauf-
ten Kirchlein verbanden 1183 Graf Wittigow von Albcck und seine Gattin Gräfin Berta
von Helfenstein einen kleinen Klosterbau zur Aufnahme von Armen und Pilgern. Für die
neue Gründung beriefen die Stifter regulierte Chorherrn von der Regel des hl. Augustin
aus den, Kloster Marbach i. Elf. Ein Propst mit 7 Mönchen kam hieher; ihre Namen,
auch den des zweiten Propstes, kennen wir nicht. 1199 wurde die Niederlassung durch Papst
Innozenz Hl. bestätigt. Propst Kuen, der Geschichtsschreiber seines Klosters, gibt eine
merkwürdige Erklärung des Namens „Eselsberg", wie früher auch der Michaelsberg ge-
nannt worden sei. „Eselöbcrg" sei eine Verballhornung des Namens „Oelsberg". In der
Kirche sei nämlich eine Kapelle gewesen, „dem auf dem Oelberg blutschwitzenden Heiland
geweiht", also eine Oelbergkapelle. Sollte vielleicht das auf den Außenflügeln des späteren
Lukasaltars der Wengenkirche befindliche Oelbergbild noch die Erinnerung an diese Klofter-
tradition festgehalten haben? Jedenfalls war ein Altar des hl. Michael in der Kirche- Als
nämlich Propst Otto Arlapuz die Michaelskirche auf dem Berg neu erbaut hatte, wurde ft>
von Bischof Siboto von Augsburg 1252 geweiht zu Ehren Mariä, Michaels, Johannes Ev.
und Vitus, besonders zu Ehren Michaels und VituS. Nur 32 Jahre bestand das Kloster
auf dem Berge, bis 1215. An der Stelle der Mönche blieb ein Laienbruder noch dort bis
1507- Infolge der Reformation wurde 1557 nach Palmsonntag auch die Kirche geschlossen.
Der mit dem Einsturz drohende Kirchturm auf dem Berge wurde 1595 nochmals von
Propst Uebclackcr restauriert. Zuletzt wohnte ein Schneider noch auf der Höhe, bei dem sich
der bekannte Fanatiker Kaspar Schwenkfeld aufhielt. Im Schwedenkrieg wurde am 6. Aug.
1634 das Gebäude mit dem Kirchturm abgebrochen. Drei große Linden zeigten später den
Standort des einstigen Klosters an; auch sie mußten verschwinden, als der Michaelsberg
1797 —I8OO befestigt wurde. Nur der Name S-Michael hat mit siegreicher Zähigkeit
allen Wechsel der 150 Jahre überdauert.

2. Das Kloster auf den Wengeninseln. Unter dein dritten Propst Sibotho wurde
jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen das Kloster vom Berg ins Tal verlegt auf die
Blau-Inseln, die man „Wengen" nannte. 1215 willigte Bischof Diethelni von Konstanz,
zugleich Abt von Reichenau, in diese Veränderung ein. Durch die Inkorporierung der
Kirchen von Stohingen und Hörvelsingen 1219 wurden den Mönchen von einem Nach-
kommen ihrer Stifter, Graf Beringer von Albeck, die Mittel zum Bau verschafft. Der
Neubau muß in seinen Anlagen, mit denen bedeutende Wirtschaftsgebäude, Mühlen und
Eisenhammer, verbunden waren, sehr umfangreich gewesen sein, und schloß eine schöne,
große Kirche ein (frühgotisch). 1224 wurde auf den Wengen von Konrad II. von Konstanz
eine Kapelle geweiht zu Ehren der Dreifaltigkeit, des hl. Kreuzes, Mariens und besonders der
hl. Margareta und Katharina. Bis 1250 zog sich der Bau des „Münsters" hin, in welchem
Jahre die Kirche und ein Altar (der Hauptaltar) zu Ehren S. Michaels geweiht wurden
von Bischof Sibotho von Augsburg. Einen von Bruno, Bischof von Briren (geb. Graf
von Kirchberg) geweihten Doppelaltar erhielt die Kirche 1263. Derselbe stand unter dem
Chorbogen, geweiht zu Ehren des hl. Kreuzes, Augustin, Maria, Felix und Regula. Auf der

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