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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Weser, Rudolf: Wengenkirche und Wengenkloster in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0029

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linken Chorscite errichtete Propst Otto Arlapuz den S. Stephanus-Altar, ebenfalls von
Bruno geweiht. 1312 verschaffte Propst Konrad l. seinem Münster den Altar zu den hl.
fünf Wunden und ein Steinbild des leidenden Heilands. 162 Jahre stand das Kloster auf
den Inseln vor den Mauern der Stadt. Unter Propst Konrad II. aber begannen große
Mißhelligkeiten für das Kloster. 1376/77 lag Kaiser Karl IV. vor Ulm, und die Ulmer
nahmen die Gelegenheit der Belagerung wahr, um gegen das Kloster vorzugehen, das ihnen
wohl wegen feines großen Besitzes ein Dorn im Auge war. Zudem stand dasselbe unter dem
Patronat von Reichenau, dcffeu Macht in Ulm von den Ulmern um feden Preis gebrochen
werdest wollte. So gaben nun die Ulmer vor, die Lage des WengenklofterS vor den Mauern
fei für die Stadt gefährlich, weil dasselbe einen günstigen Stützpunkt für die Feinde geben
könnte, und arbeiteten auf den Abbruch des ganzen Baukomplexes hin, der 1377 i» äußerst
feindseliger Weise vor sich ging: die Häuser wurden seitens der Stadt eingeriffen, die
Glocken zertrümmert, Kelche, Bücher, Meßgewänder geplündert und anderes mehr. Die
Steine des Klofterbaus wurden zum städtischen Münsterbau verwendet. So war die ganze
große Anlage radikal zerstört. Den Mönchen wurde ein Haus in der Stadt zur Wohnung
angewiesen, das Eckhaus an der Blau bei der steinernen Brücke gegenüber dem „Goldenen
Löwen". Für den Gottesdienst wurde die ganz ungenügende Jakobskapelle eingeräumt, in
welcher Propst Konrad zwei Altäre, einen Michaelsaltar und einen Fünfwundenaltar er-
richte» mußte. Diese Zustände waren jedoch unhaltbar für das geordnete Klosterleben. 1384
wurde Propst Petrus Niger (Beck) vom Abt von Reichenau eingesetzt. Seinen energischen
Bemühungen gelang cs, die Stadt endlich 1398 dahin zu bringen, ihrem Versprechen ge-
mäß einen Platz herzugeben als Entschädigung für das niedergelegte Kloster- Ein Vertrag
mit dem Münsterpfarrer Ulrich Gäßler räumte weitere Schwierigkeiten hinweg. So konnte
am 6. Nov. 1399 der Grundstein zur neuen Wengenkirche innerhalh der Stadtmauern
gelegt werden.

3. Die Wengenherrn in der Stadt 1399- 1531. „Anno Domini 1399 am S- Leon-
hardötag (6. Nov.), da legt Hartman» der Chinger, der Bürgermeister zu den Zeiten war,
mit des Rats Heißen den ersten Fundamentstein an dieses Gotteshaus der Herren von der
Wengen," so lautet die Inschrift an der hübschen Skulptur der Portallünette. Nach drei
Jahren schon war der Bau vollendet. Das Kloster wird aber zunächst noch klein und unan-
sehnlich gewesen sein. Aus der gotischen Baupeciode des Klosters ist uns nur noch der Ost-
abschluß erhalten, ein Oekonomiegebäude, dcffcn Giebel einen hübschen Staffelfries aus-
gebranntem Ton zeigen, und das dem Hof zu durch ein gotisches Wendeltreppentürmchen ge-
gliedert ist. Der erste Bauherr, Propst Petrus Niger, der auch sehr tätig war für die Bib-
liothek des Klosters, starb schon 14O5. Konrad Hl-, 4 1464, ließ den Krcuzgang wölben.
Von demselben ist nur noch der einzige Trakt erhalten, der an der Nordwand der Kirche
sich anlehnt und wegen seines Fußbodenbelags mit roten Backsteinen bis heute „Der rote
Gang" heißt. In der Kirche fügte Propst Matthäus Zimmermann zwischen Chor und
Schiff eine Empore ein, den Lettner 1489. Damit ist der Kirchenbau in der gotischen Zeit
abgeschlossen. Wie hat das Bauwerk ausgesehen? Kein Plan tmd keine Beschreibung gibt
uns davon Kunde. Erst die jüngste Restauration 1921 ff. hat uns hierüber Aufschluß ge-
geben und die heutigen Unregelmäßigkeiten der Anlage erklärt.

Der gotische Bau der Kirche war eine flach gedeckte dreischiffige Hallenkirche. Der jetzt
noch stehende Chor stammt seiner Gcsamtanlage und seinen Raumverhältniffen nach aus
dieser gotischen Zeit- Der jetzige Schiffsraum aber war nach der Südseite um ein ganzes
Seitenschiff weiter und größer. Beim Abputzen der äußeren Südwand traten nämlich vier
sehr hoch gespannte Jochbögcn zutage, die auf achteckigen Pfeilern aus Ziegelsteinen ruhten.
Da diese selbstverständlich ursprünglich nicht an einer Äbschlußwand stehen konnten, so
mußte sich die das südliche Seitenschiff schließende Außenmauer in das jetzige Pfarrgärtlei»
hinaus erstrecken. Nachforschungen im Innern ergaben, daß sich eine nördliche Mittel-
schiffwand aus eben solchen Pfeilern erhob, deren Basen unter dem Boden des Gestühls
sich vorfanden. Die Nordwand des jetzigen Schiffs war auch die Nordwand des nördlichen
Seitenschiffs. Das Mittelschiff der gotischen Zeit reichte also von der Reihenlinie der unter
dem Gestübl verborgenen Pfcilcrbasen bis an die jetzige Südwand. Gedeckt waren Chor,
Mittelschiff und Seitenschiffe mit einer flachen, bemalten Holzdeckc, von der sich noch Reste
erhalten haben. Die Decken der drei Schiffe waren gleich hoch, die Fenster natürlich spitz-

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