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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Weser, Rudolf: Wengenkirche und Wengenkloster in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0030
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bogig, wie heute noch das hinter dem Hochaltar befindliche, das jetzt größtenteils vermauert
ist. Dieselbe Form hatte auch der Chorbogen. Die heutige Nordwand, die jetzt nach innen
eine verstärkende Vormauer aufweift, welche aber nicht überall bündig mit derselben ist,
zeigte sich mit reicher, satter Wandmalerei bedeckt. Ebenso hat die jetzt fehlende Südwand
des einstigen südlichen Seitenschiffes Bildschmuck getragen, ja eö ist anzunehmen, daß die
Mittelschiffwände auch zwischen und über den Arkadenjochen bemalt waren. Auch beim Chor
schimmerte unter dem grauen Seitcnwandbild ein rote Farbe hervor. Das alles ergibt für
Wände und Decke» ungemein reichen Farbenschmuck. Das Hauptportal war gegenüber dem
jetzigen Stand etwas mehr nach rechts gegen Süden gerückt und genau in der Hauptachse
der ganzen Kirche gelegen. Die Kirche hatte acht Altäre: I. den Hochaltar zu Ehren des
hl. Michael, 2- im Chor auf der Evangelienseite gegen den Chorbogen hin den Altar z. E. der
hl. Katharina und Barbara, 3. ihm gegenüber den z. E. der beiden Johannes und S. Lukaö,
4. den Lettneraltar z. E. des hl. Kreuzes, an dessen beiden Seiten Durchgänge in den Chor
hinaufführten; 5. im Seitenschiff links (nördlich) stand vorn der Marienaltar, 6. weiter
hinten der z. E. d- hl. Eligius (Schmiedezunftaltar); 7. im Seitenschiff rechts vorn der
Altar des hl. Erasmus, 1499 geweiht, und 8. weiter hinten der z. E. der hl. Georg,
Rochus, Kosmas und Damian. Weiter befaß die Sakristei einen Altar, wie auch der
anstoßende Kapitelöfaal, letzterer 1454 S. Quintin geweiht und bis 1699 vorhanden. Von
diesem großartigen, farbenschimmernden Bild, in das wir uns nur mit Mühe wieder hinein-
denken können, ist nichts mehr erhalten, als Reste der Gemälde des Lukasaltars (Nr. 3),
d. i. des Malerzunftaltars, und drei Statuen, Kruzifix mit Maria und Johannes, jetzt in
der Kirche S- Elisabeth. Die noch vorhandenen Gemälde befinden sich teilweise im Münster.

4- Die Wengenherrn von 1531 — 1585. Das Jahr 1446 war für die Wengen
insofern sehr fatal geworden, als in diesem Jahr Reichenau seine Güter in Ulm und
seine Rechte um 25 000 Gulden an die Stadt Ulm verkauft hatte. Das Recht der
Bestätigung und Investitur des Wengenpropstes ging damit über an den Rektor des
Spitals in Ulm, der den Chorherrn vom Orden des heiligen Geistes angehörte. Da-
durch gewann die Stadt Ulm einen bedeutenden Einfluß auf das Wengenkloster, der
sich u. a. auch darin zeigte, daß Angehörige von Ulmer Geschlechtern Pröpste wurden,
so Sigismund Ehinger, Ulrich ll., Kraft, Ambrosius Kaut- Die Regierungszeit des
letzteren fiel in die Zeit des Sieges der Reformation in Ulm. Die Ulmer verlangten von
Kaut, daß er Messe, Beicht und das Singen der Tagzeitcn abstcllc. Dieser aber floh
aus dem Kloster und der Stadt mit seinem Novizen Wolfgang Besserer. Dies kam den
Ulmer» sehr ungelegen. 18 Jahre hinduch kämpfte Kaut, dessen Konvcntualen das Kloster
der Stadt übergeben mußten und zum Teil abgefallen waren und sich verheiratet hatten,
gegen den Rat von Ulm beim Kaiser, beim Papst, beim Reichsgericht, bis endlich 1549 die
Stadt gezwungen wurde, einen Vertrag mit ihm abzuschließen und das Kloster mit beweg-
licher und unbeweglicher Habe wieder zurückzugeben. Die Ulmer hatten unterdessen das
Kloster mit der Kirche gründlich verwahrlosen lassen und eine Münze in demselben einge-
richtet. Kaut kehrte wieder zurück mit zwei Konventualen und ging energisch an die Wie-
derherstellung von Kloster und Kirche, waü er in 3 Jahren zustande brachte. Schon am 6. Dez.
1552 starb er, mit Recht gerühmt als zweiter Gründer des Wengenklosters, wie auch das
Wandgemälde im Chor berichtet. Die Bestätigung der Propftwabl erfolgte in Zukunft von
Ronr aus durch Vermittlung des Bischofs von Konstanz, welcher dem Propst auch die
Paftoration der Ulmer Katholiken übertrug. Die pfarrlichen Rechte wurden jedoch vom
Rat beständig dem Propst verweigert, so daß die katholischen Kinder nur im Münster ge-
tauft und die Ehen nur im Münster geschlossen werde» durften. Kaut und seine Nachfolger
konnten die bisherige Kirche nicht mehr ganz wiederherftellen. Das südliche Seitenschiff
wurde abgetragen und die Arkadenträger der südlichen Mittelschiffwand wurden zuge-
mauert bis an die neuen Fensteröffnungen. Die nördliche Mittelschiffwand mußte eben-
falls verschwinden, der Haupteingang wurde mehr nach Norden zu verschoben bis an die
heutige Stelle. Gebälk, Decken und Dachftubl mußten abgeändert werden. Das Ergebnis
war eine einschiffige Halle, eine einschiffige Kirche statt der bisherigen dreischiffigen Hallen-
kirche. Mit dem Guß von zwei Glocken durch Wolfgang Neidhart von Ulm schloß der Propst
MattbiaS Uebelacker 1585 diese Bauperiode ab.

5. DaS Wcngenstift im 17. Jahrhundert. Nachdem 1600 der Propst Johannes

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