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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Weser, Rudolf: Wengenkirche und Wengenkloster in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0032
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in den lebhaften Schwung der stark profilierten und weise verteilten Umrahmungen und
Kartuschen und band all diese Teile mit reich stilisiertem Pflanzen-, Blumen- und Muschel-
werk zusammen zu einem frohbewegten Ganzen. Jetzt war dem Freskomaler ein weites
Feld für die Entfaltung seiner Kunst bereitet. Bei der Berufung des Künstlers war die
Verwandtschaft maßgebend, die den Prälaten Braunmüller als Onkel und seinen Nach-
folger Michael Kuen als Bruder mit dem Kunstmaler Franz Martin Kuen von Weißen-
Horn verband. 1747 waren die Fresken im Schiff, 1766 die im Chor vollendet. Der Haupt-
patron der Kirche, S. Michael, führte hin zum großen Leitmotiv der ganzen Freskomalerei-
Die L e h r e v o n d e n E n g e l n ist das Thema, das der Künstler mit großer Hingebung
und feinem Verständnis durchführte. Nur kurz sei hier der Gedankeninhalt des Bildcr-
zyklus skizziert.

Das vorderste Chorfresko stellt die Neun Chöre der Engel dar, die, um ihren Chor-
führer S. Michael geschart, Gott ihre Huldigung darbringen. Ihren Lobgesang nimmt im
zweiten Fresko der Psalmist David auf, der in seinen Liedern die Meffiade der Er-
lösung wie in einer wunderbaren Vision besingt. Die beiden Bilder sind eine Einladung
an die Menschen, hier die Wengenmönche als deren Vertreter im immerwährenden Gottes-
dienst und Chordienst, in ihren Lobpreis einzuftimmen. Im Schiff sind die Engel im west-
lichsten Fresko tätig, bei der Vertreibung des Tempelräubers Heliodor zur Makkabäerzeit
das Heiligtum Gottes, das Vorbild des christlichen Gotteshauses, zu beschützen. Im großen
Mittelbild ist die Vision des Evangelisten Johannes auf Patmos geschildert, wie sie die
Apokalypse Kap. IO berichtet. S. Michael schützt das Kind und die wunderbare Frau vor
den Nachstellungen des Luzifer und stürzt diesen in die Hölle. Die Frau, Maria, ist Sinn-
bild der Kirche Gottes, die, von den Engeln beschützt, über ihre Feinde, Weltlust, ver-
brecherische» Uebermut und Verdrehung der Wahrheit triumphiert (Triumphwagen der
Kirche). Nach vorn, dem Chorbogen zu, haben sich die Engel zu einer Konzertkapelle ver-
einigt. Dies Bild ist in nächste Beziehung gesetzt zum Lettner, auf dem der Kirchcuchor seinen
Platz hatte. Um das große Mittelbild reihen sich die Gemälde der vier lateinischen Kirchen-
lehrer, die, je von Engeln unterstützt, den Glauben gegen die Irrlehrer verteidigen. Die acht
Ovalbilder in den Bogendecken zwischen den Pfeilern zeigen ebensoviele Engel, welche die
Kirche in ihren verschiedenen Lebensäußerungen behüten. Hat der Chor den Dienst der Engel
gegenüber Gott dargestellt, so erzählt das Schiff vom Dienst der Engel an der Kirche
Gottes- — Aus diesem Gedankenkreis fallen nur heraus das unter der Orgelempore gege-
bene Bild von der Reinigung des Tempels und die drei Kartuschenbildchen der Orgel-
empore mit de» Brustbildern der hl. Katharina, Theresia und Margareta. Für den Hoch-
altar hatte Kuen ein farbensattes Gemälde auf Leinwand geschaffen: Michael stürzt den
Luzifer in den Abgrund. Auch andere Altäre bekamen Bilder von seiner Hand. Der
Meister war ein guter Maler und Zeichner. Nur hat er manchmal eine Vorliebe für
dunkelrote und dunkelbraune Töne, die etwas schwer und unausgeglichen aus seinen Bildern
hervorspringen. Man kann aber sehr weit gehen und in der christlichen Ikonographie lange
suchen, bis man das Thema von den hl. Engeln in ähnlich klarer und erhebender Weise
wieder behandelt findet. — Auch der Lettner und die westliche Orgelempore und die Wände
am Eingang wurden neu stukkiert und das Orgelgehäuse erhielt farbige Bemalung. Die
Vollendung des Ganzen erfolgte unter Prälat Georg Trautwein, dessen Wappen eine Putte
auf einem ChorpilaftergefimS hält. 1786 baute der letzte Wengenprälat Nikolaus Bücher
(1785— 1803) südwestlich an die Kirche das Amtshaus an, das jetzt Stadtpfarrhaus ist.
Er veranlaßte durch den Pfarrer Dr. Chriftmann von Drackenstein, Sohn des ehemaligen
Wengenoberamtmanns, die Wappen aller Propste mit einem kleinen Bild des Klosters zu
malen, ein Bild, das im Besitz des Verfassers ist. — So konnte sich das Stift eines neu
und praktisch angelegten Klosters und einer freundlichen, schmucken Kirche freuen, die sich
zwar mit ihren größeren Schwefterklosterkirchen in Wiblingen, Ochsenhausen, Weingarten,
Zwiefalten nicht messen, aber doch in Ehren neben ihnen bestehen konnte. Aber eS war nur
eine kurze Freude.

7. Die letzte Zeit 1800— 1925. Im Jahre 1803 erfolgte die Säkularisation, die aber
nur noch acht im Kloster, befindliche Konventualen betraf. Der Prälat erhielt 2000 Gulden
Pension, jeder Konventuale 400 Gulden. Das Kloster wurde bald als Kaserne verwendet
und blieb cs bis 1918, von wann an cs als Mietkaserne diente, was sein Bild noch mehr

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