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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Rohr, Ignaz: Vom Marmorieren
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Literarisches
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0041
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Tradition eine unerfreuliche Unterbrechung erfuhr. Sie hielt noch an bis gegen die Mitte
des vorigen Jahrhunderts. Dann kam der Wohlstand infolge des langen Friedens und
hinterdrein der Siegestaumel von 1870/71, die Gründer- und Schwindelfadre mit ihrer
Talmikullur. Da konnte es den „Neureichen" von damals wohl einfallen, ihre Schau-
fensterverkleidungen, Bierpaläste und Tingeltangels marmorieren u, lassen, und die Maler
brauchten sich um Feinarbeit nicht sonderlich zu bemühen. Sie hätte bei den Zunächftinter-
effierten doch nicht das richtige Verständnis gefunden. Für die Kirchen, den in denselben
verehrten Gott und das daselbst betende Volk aber war von jeher das Beste gerade gut
genug. Darum gilt es, ihre Räume denen zu verschließen, denen Marmorieren ein will-
kürliches Klecksen ist, und von denen, die sich melden, einen vollgültigen Ausweis ihres
Könnens zu verlangen und letzteren zu bewerten nach dem Maßstabe der guten alten
Leistungen, die wir noch in unseren Kirche haben. Bei diesen zeigt sich ein Dreifaches:
1. Zurückhaltung im Kolorit, temperiertes, nicht aufdringliches oder gar schreiendes Rot,
Blau, Grün usw. (sehr selten — höchstens bei Gesims- oder Sockelrändern — finden sich
Schwarz oder tiefes Dunkelgrau); 2. ein weitmaschigeres Gestalten des Geäders, als der
natürliche Marmor zeigt, schon um der Fernwirkung willen, also kein bloßes Kopieren
echten Marmors; 3. eine solche Führung der Wellen und Linien, daß sie zu größeren
Gruppen sich zusammenschließen und damit die genannte Fernwirkung garantieren, also
kein planloses Nebeneinander von kleineren und größeren Kreisen, Polygonen usw., son-
dern ein harmonisches Zusammenwirken zu größeren Flächen. — Dabei kommt es öfter vor,
daß bei aller Gediegenheit der Linienführung doch der Gesamteindrnck nicht befriedigt, weil
das Kolorit nachgedunkelt hat, insbesondere bei verde antico, also grünlichem Marmor.
Hier ist manchmal die ursprüngliche Frische einem schmutzigen Gelb gewichen. Manchmal
ist diese scheinbare Patina aber auch Zutat späterer Uebermalung. Man wird also gut
daran tun, an verschiedenen Stellen durch Abschaben zur ursprünglichen Fassung vorzu-
dringen. Sehr oft wird man entdecken, daß dieselbe viel heller und freundlicher gehalten
war, und dann ist der Maler zu verpflichten, diese sich zur Vorlage zu nehmen. Ueberhaupt
ist den mit Barockkirchen beschäftigten Malern dringend zu raten, die herrlichen Gottes-
häuser unserer süddeutschen Heimat genau zu studieren, auch darauf, wie man marmoriert.
Es ist bezeichnend für unser kerngesundes Volk, daß es in der Not der Jahrzehnte nach
dem Dreißigjährigen Kriege von seinen Kirchen lichte, sonnige Stimmung verlangte und
Höhlen- und Kerkerstimmung von ihnen fernhielt. In der Not sind wir der damaligen
Zeit wieder unheimlich nahegerückt. Lernen wir von ihr auch die Mittel zu ihrer Be-
kämpfung. Daß wir Meister im Lande haben, die zu lernen verstanden, beweisen die neuer-
dings restaurierten Kirchen in Ehingen, Munderkingen (Frauenberg), Gutenzell, Wolfegg,
Wilsingen, Hirrlingen usw. Vivant sequentes.

Tübingen. I. Roh r.

Literarisches.

Gmünder Kunst der Gegenwalt. Von Walter Klei». Band IV der „Gmünder Kunst".

Dcr neue, sehe vornehm ausgestattete Band will zeigen, wie in der alten Goldschmiedstadt die
Schaffenskraft dcr Stadt wuchs und wie sie ein Ausgangspunkt künstlerischer Persönlichkeiten und künst-
lerischer Werte wurde. Demgemäß werden die Künstler, die Gmünd hcrvorgebracht hat, seien sie dort
ansäsiig oder mögen sie sich anderweitig niedergelassen haben, in Wort und Bild vorgeführt. So ergibt
sich eine bedeutende Vielseitigkeit in dcr Schilderung des Kunstlebens der Stadt. Da ist cs dcr Plastiker
Jakob Wilhelm Fehrlc, der auch als Maler tätig ist, Klara Fchrlc und Anna Fchrlc, die eine ganze
bcimischc Künstlcrsamilie repräsentieren. Regierungsbaumeister Hans Hcrkommer in Stuttgart, geborener
Gmünder, ist als Erbauer dcr Kirchen in Slraßdorf, Wißgoldingen, Hüttlingcn, Bruchsal (St. Paulus-
heim), des Margaritenheims in Gmünd, einer Silberwarenfabrik und einer Reihe von anderen Ge-
bäuden in Gmünd und Stuttgart bekannt. Stadtbaurat £>. E. Schweizer, der kürzlich eine Berufung
nach Nürnberg erhielt, bespricht das Problem dcr Stadterwciterung von Gmünd. Der schwäbische Jm-
presiionist Prof. Hermann Plcucr ist ebenfalls in Gmünd geboren. Prof. Wiibclm Widcmann, ein her-
vorragender Plastiker, bat Gmünd stets feine besondere Liebe bewahrt. Die Baumeister Ludwig Steg-
maier, Hermann Möhler, Eugen Fischer; die Maler Emil Holzhauer in Ncupork, Karl Fabcr, Alois
Schenk, Hugo Stadelmaicr, Berta Scheuerte, Hans Brack; die Bildhauer Karl Dcibclc, Albert Holl,

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