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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

DOI issue:
Nr. 1- 3
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Nr. 4-6
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Weser, Rudolf: Der Bibliotheksaal von Wiblingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0052

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lauter prächtigem Muschelwerk, spielenden Putten und feinem Blumengeranke. Dieses
ganze Stückwerk ist in Weiß und diskreten matten Farbtönen gehalten und verrät einen
begabten Meister.

Nun breitet sich an der Decke ein sehr gutes Werk der Freskomalerei aus, in dem nur
eines etwas störend wirkt, nämlich die die einzelnen Szenen des Gemäldezyklus scheidenden,
in eintönigem Braunrot gemalten wilden Rokokoskulpturen, die auch etwas zu massig sich
zwischen die Bilder Hineinpflanzen.

Die Besichtigung und Beschreibung muß beginnen mit dem Gemäldeteil, der dem Ein-
gang gegenüberliegt. Auf einem engen Raum zusammengedrängt zeigt sich ein reiches
Landschaftsbild mit Wasserfall, das Paradies, mit dem Baum der Erkenntnis, au
dem die Schlange sich hinaufwindet, unter dem Adam und Eva sich befinden, umgeben
von einer Anzahl von Tieren: Pfau, Leopard, Affe u. a. Für den ganzen Zusammenhang
der Bilderfolge scheint mir diese Darstellung gewählt worden zu sein wegen des Wortes
der Schlange: eritis sicut clii s c i e 11 t e s bonum et mal u m, Gen. 3, 5, und
des Wortes Gottes: ecce Adam quasi unüs ex nobis factus est seien sbonu m
et malum, Gen. 3, 22 — „Ihr werdet fein wie Götter, wissend das Gute und
Böse" — „Siche Adam ist geworden wie einer aus uns, wissend das Gute und Böse".
Es wird also hier schon der Hauptgedanke der ganzen Bilderfolge, auf den ja schon die
Türkartuschen hingewiesen haben: „das Wissen", angedeutet, das gute Wissen, die Wissen-
schaft des Heiles, und das schlimme Wissen, die Wissenschaft des Argen und Bösen. Die
drei auf dem südlichen Teil des Gemäldes folgenden Szenen zeigen das Wissen oder die
Weisheit des Heidentums. Das erste Bild schildert die bekannte Szene von
A l e r a n d e r und Diogenes '). Der Philosoph Diogenes aus Sinope, eines
Wechslers und Münzfälschers Sohn, wurde in Athen Schüler des Antisthenes und er-
klärte die Bedürfnislosigkeit für das höchste Gut. Mantel, Quersack und Stock war sein
ganzes Besitztum. Jeder -Ort war ihm zum Essen, Schlafen und Unterreden recht. Man
nannte ihn darum de» „Hund". Gegen den Regen suchte er Schulz im Fasse des Metroon.
Als Alexander der Große der Bundesversammlung der Griechen in Korinth präsidierte,
hielt sich Diogenes ebenfalls hier auf. Während aber alles dem König huldigte, nahm
Diogenes nicht die geringste Notiz von ihm. Trotzdem besuchte Alexander den Philosophen
und fragte ihn, ob er keinen Wunsch an den König voxzubringen hätte. Diogenes ant-
wortete: „Keinen anderen, als daß du mir ein wenig aus der Sonne trittst." Und Alexan-
der sagte: „Wäre ich nicht Alexander, so möchte ich Diogenes sein." Dieser Bericht
Plutarchs ist hier im Bilde festgchaltcu. Diogenes sitzt im Fasse, ein Hund daneben trägt
eine Laterne im Maul (Erinnerung an die Anekdote, wir Diogenes einmal am hellen Tage
mit der Laterne in Athen nmherging und auf die Frage, was er Närrisches lue, zur Ant-
wort gab: „Ich suche Menschen"), und ihm naht nun Alexander in Begleitung und macht
ihm das oben geschilderte Anerbieten, wird aber von Diogenes zurückgewiesen.

Das folgende Bild ist die Darstellung des B e r g e s H e l i k o u, des Wohnsitzes des
Gottes Apollo MusageteS und der neun Musen, die aber später auf dem Parnaß woh-
nend gedacht sind. Auf der Spitze des Helikongebirges läßt das geflügelte Roß Pegasus,
das nur vorzügliche Dichter auf seinem Rücken und seinen Flügeln trägt, mit einem
Schlag seines Fußes die Quelle Hippokrene entspringen, deren Wasser die Gabe der Dicht-
kunst verleihen. Zuoberst auf dem Berge sitzt Apollo mit ftrahlenumkränztem Haupt und
spielt die begeisternde Leier. Unter ihm lagern sich neun Frauengestalten, die neun Musen
mit ihren Emblemen: l. die Philosophie, die Hand an die Stirne gelegt und lesend in
einem Buche, 2. die Geographie mit Globus und Zirkel, 3. die Astronomie mit Fernrohr,
4. die Malkunst mit Palette, 5. die Geschichtschreibung mit der Feder, 6. die Medizin mit
dem Stabe des Äskulap, 7. die Musik mit einer Flöte, 8. die Mathematik auf einem
Zahlenbrett mit den Fingern rechnend, 9. die Naturkunde mit Stab (Zauberstab?). Es
sind also nicht die neun Musen des Hesiod, sondern Vertreterinnen einer Reihe von Wis-
senschaften und Künsten als Musen dargestellt. Ganz unten links und rechts sind zwei
größere Figuren placiert. Die erstere behelmte Figur trägt Buch und Schlüssel in der
Rechten, in der Linken den Torso der vielbrüftigen Ceres. Die Figur symbolisiert den

4) Weiß, Weltgeschichte, I, S. 446 und S. 368.

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