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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

DOI issue:
Nr. 1- 3
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Nr. 4-6
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Weser, Rudolf: Der Bibliotheksaal von Wiblingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0056

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inysterinm des Geheimnisses der göttlichen Liebe im Altarssakrament ergibt. Der lor-
bcergekröntcn Dicht- und Gesangskunst, der das höchste Ziel die Verkündigung und Aner-
kennung ihres Ruhmes ist, steht gegenüber die christliche Hoffnung, die das Wort des
Völkerapostels als ihr Ruhmeswort auf den Lippen trägt: „Von mir aber sei cs ferne,
mich zu rühmen, außer in dem Kreuze unseres Herrn Jesus Christus" (Gal. 6, 14). So
ist in feindurchdachter Weise der ganze Gemäldezyklns auf das P r i n z i p der A n t i -
t h c s e, der Gegensätzlichkeit, eingestellt.

Wie an der Kartusche unterhalb des Musenberges das Abtswappen, so ist an einer
Kartusche am Gottesbergc das Konventswappen von Wiblingen, vierteilig, angebracht.

Nun ist es Zeit, unsere Blicke zu erheben zur Gloriole des Scheitels des Deckengemäl-
des. Es geht hinauf in die höchsten Höhen der Weisheit, die ein geschaffener Geist zu er-
klimmen vermag, zur Verklärung aller menschlichen Weisheit, zur v i s i o b e a t i f i c a,
z n in SchaueninGot t. Auf einem Wolkenthron sitzt die Weisheit, festlich geschmückt
wie eine Gottcsbraut, in der hocherhobenen Rechten das entsiegelte und aufgeschlagene Buch
der Gottesoffenbarung mit dem auf dem Buche ruhenden Lamm, die Linke gestützt auf
einen Schild mit dem Bilde der Taube dev Heiligen Geistes, an dessen Rand ein Engelchen
den Helm des Heiles hält. Das Haupt dieser sehr edlen und idealen Figur ist umlichtet
vom Dreiecknimbus der Gottheit und ihr Blick ist unverwandt in seligem Entzücken in die
Höhe gerichtet. Rechts von ihr sitzt ein Engel, dessen Rechte einen ovalen Spiegel hält;
allein das „Schauen im Spiegel" hat aufgehört und sein Auge richtet sich ebenfalls nach
oben. Links von der Hauptfigur ruht ein Engel mit dem Blick nach oben und in Anbetung
der himmlischen Weisheit die Hände faltend. Unter diesen drei Figuren lialten Engel eine
ecichgefaltete Draperie, in deren zusammengeraffter Mitte eine große Anzahl von Folian-
ten, Büchern und Akten liegt, mit denen sich ein Engel beschäftigt. Das will besagen, daß
in der bimmlischen Weisheit auch alles Wissen der Weltgeheimniffe sich enthüllt! Ein
anderer Engel, von Putten umflogen, schwebt von der Seite her und trägt in seinem
Mantel Gold lind Perlen und Edclgestcin und Krone — alle Reichtümer fließen der
Weisheit zu. Das große Wolkenoval schließen eine Reihe von anderen jubelnden und an-
betcnden Engeln ab. Das ist das wunderbare Finale der geistreichen großartigen Kompo-
sition, welche die Weisheit des Heidentums, die Weisheit des Chri -
st c >i t n m s und die h i m m l i f ch e Weisheit als Thema durchführt.

Es ist ohne weiteres klar, daß ein derartiges historisch-theologisches Gedankenwerk nicht
dem Kopf des ausführendcn Künstlers entsprang. Für die Wabl und die Skizziernng der
ganzen Ideenfolge kommt natürlich die Wissenschaft der Mönche vom Wiblinger Kloster
in Betracht. Aber auch die künstlerische Bewältigung dieses Gedankcnkomplercs ist eine
bedeutende Tat des F r c s k o m a l e r S Franz M a r t i n Kuen von Weißenhorn.
Die Bedeutung des Künstlers und seines Werkes wächst, wenn wir bedenken, daß derselbe
erst 25 Jahre alt war und in diesem Iugendwerk schon sein schönstes und uns am besten
erhaltenes Werk schuf.

Kuen war am 8. November 1719 in Weißenhorn geboren. Seine Mutter war eine
geborene Braunmüller, Schwester des Ulmer Wengenpropstes Joseph Braunmüller (1736
bis 1754). Sein Bruder Michael Kuen war Konventnale im gleichen Kloster und wurde
Nachfolger des Onkels in der Propstwürde (1754 — 1765). Dieser bat seinem Kloster ein
lateinisch geschriebenes literarisches Denkmal gesetzt in dem Werke: YVenga sive inlor-
matio historica de exempti collegii S. Arcliangeli Michaelis ad Insulas Weii-
genses Can. Regg. Ulinae Suevorum a R. I). Michaele ill (Kuen) 1766. Der
Künstler Franz Martin Kuen erlernte die Malkunst in Augsburg, wo er Schüler des
berühmten Akademiedirektors Johann Georg Bergmiiller (1688—1762) war, der zu-
gleich den Titel eines bischöflichen Kabinettsmalers führte. Auf einer Reise nach Italien
holte Kuen sich die Künstlerweihe. Zurückgekehrt, lebte er in seiner Vaterstadt Weißen-
horn, von wo aus er in der näheren und ferneren Umgebung eine reiche künstlerische Tätig-
keit entfaltete. Im Jahre 1771, also im 52. Lebensjahre, crlnelt er einen Ruf nach Prag.
Eine Nachricht meldet, er sei auf dem Wege dahin in Linz gestorben, eine andere Kunde
sagt, er sei am 30. Januar 1771 in Weißenhorn gestorben. Seine 42 Jahre alte Witwe
Anna Kuen heiratete den noch berühmteren Wcisienhcrner Maler Konrad Huber, Schüler
 
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