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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 1- 3
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Nr. 4-6
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Hafner, Otto: Der neue Fugelsche Kreuzweg in der Liebfrauenkirche zu Ravensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0060
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da cs an großer Leinwand fehlte. Das war aber, wie der Künstler mitteilte, Vorarbeit
für den hiesigen, so daß dieser umso ausgereifter vollendet wurde nach langer, mühevoller
und anstrengender Arbeit. Gegenüber dem Stuttgarter Kreuzweg haben diese Bilder
manche Verbesserung und Steigerung erfahren, sind auch bedeutend größer: 1,40 zu 1,70.
„Ich habe," schreibt Fugcl, „alles getan, was in meinen Kräften stand, um für das geliebte
Ravensburg das Bestmöglichste zu leisten. Nur ungern trenne ich mich von diesen Bildern,
aber in Ihrer Kirche sind sie notwendiger als in meinem Atelier. Von berufener Seite wer-
de» die Bilder sehr gewürdigt. Ich hoffe, daß der neue Kreuzweg zur Belebung des religiösen
Fühlens und Betrachtens beitragen wird und zugleich ein schöner dekorativer Schmuck Ihrer
Stadtpfarrkirche werden möchte." Dies die Worte unseres bedeutendsten katholischen
Meisters, die in ihrer Bescheidenheit und Wahrheit bei der Betrachtung erst ganz ihren
Wert erhalten.

Das künstlerisch geschulte Auge muß staunen über die großartige technische
Vollendung und Meisterschaft in Linienführung, Perspektive, Anatomie, Plastik der Fi-
guren und Illusion der Kreuzeslaft und des schweren Falls unter dem Kreuz, über die
herrliche Farbwirkung, die unaufdringlich sich zeigt.

Die mittelalterlichen Darstellungen von Paffionsszcucn lenken durch das viele Bei-
werk (in Figuren, Landschafts- und Stadtbildern) den Blick vom Mittelpunkt gerne ab.
Auch manche anderen Meister gefallen sich vielfach in dieser Ueberladung. Fugel selbst
bat in seinem Kreuzweg in St. Joseph zu München noch figurenreichere Darstellung. Hier
ist Blick und Seele konzentriert auf einige wenige Figuren. Es fehlen größere Volks-
szenen, Landschaften und architektonische Spielereien. Auf dem ersten Bild sieht man hinter
und unter der majestätischen Gestalt des Schmerzenmannes in dem roten Mantel nur ein-
zelne kleine Gestalten des rasenden Volkes in Kopf- und Brusthöhe, auf der 8. Station
vier prächtige Frauengeftalten mit zwei Kindern. Sonst nur 3 — 9 Figuren auf einem
Bild auf grauem Hintergrund ohne Landschaft.

Der f r o m m e Beschaue r u nd Beter ist ergriffen von der Vertiefung des
Künstlers in das Leidensgeheimnis, das immer mehr von Station zu Station in seinem
Schrecken sich steigert. Im Mittelpunkt steht in überragender Gestalt Christus, bei allem
Leid voll Majestät, der in seinem leuchtenden lichten weißen Gewand alles an sich zieht.
Selbst Maria muß in ihrem Schmerz vor seinem Schmerz zurücktreten. Herrlich ist die
Einheitlichkeit in der Darstellung dieser Figuren und die fortschreitende Entwicklung des
Dramas in seiner Leidenschaft und im stillen großen Schmerz. Welch ein Fortschritt z. V.
gegenüber dem Beuroner Kreuzweg in der Marienkirche in Stuttgart! Letzteres sind
lebende Bilder in steifer, altäghptischer Haltung. Hier aber ist Leben, Leidenschaft und
Wahrheit in allen Figuren, und doch alles gemildert durch die Majestät des Erlösers. Wie
das Leide» Christi seine» Höhepunkt auf Golgatha am Kreuz erreicht, so sind auch die
letzten Stationen in ihrer herrlichen Naturstimmung für den frommen Beschauer wahre
Andachtsbilder voll ergreifender Sprache, auch für den Künstler ein Hochgenuß. Der
Künstler hat sein ganzes religiöses Fühlen und Empfinde» hineingelegt. So kann eben
nur ein religiös lief veranlagter Meister betrachten, fühlen und schaffen!

Doch genug! Man kann diese Bilder leichter betrachten und genießen als beschreiben-
Es sind wahre Kunst- und Andachtsbilder zur Erbauung für das gläubige Gemüt. Leider
ist die Beleuchtung der Bilder nicht immer günstig, weil das von den Fenstern cinfallcnde
Licht das dazwischen befindliche Bild nicht trifft und das Auge blendet. Am besten ist die
Beschau nachmittags und abends bei Gasbeleuchtung. Auch mußten die letzten sechs Bilder
als Doppelbilder wegen der Raumverhältnisse angebracht werden, was bei der 13. und
14. Station die Einzelwirkung der verschiedenen Landschaftsstimmungen beeinträchtigt. Die
tannenen Rahmen nebst Inschrift lieferte in trefflicher Ausführung Bildhauer Schlachter
hier nach Fugels Zeichnung. Sie sind absichtlich einfach aehalten, daß der Blick von dem
Inhalt möglichst wenig abgelenkt wird. So lobt dieses Monumentalwerk seinen Meister,
dem wir dazu unsere volle Anerkennung zollen. Dieser Kreuzweg ist die Weiterführung
und Vollendung seines künstlerischen Schaffens in unserem Gotteshause, angefangen von
den noch strenggehaltenen Heiligcngestalten im Lichtgadcn des Mittelschiffs, der lebendigen
Haltung seiner plastischen Evangelisten und des herrlichen KurzifikeS im untern Teil des

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