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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 7-9
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Weser, Rudolf: Zur Ikonographie des Isenheimer Altars, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0085
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gehen, weil dieselben in der Literatur der Mystiker und Prediger immer als Vorbilder,
und zwar gerade als besonders beliebte, sozusagen feststehende Vorbilder angeführt werden.
Schon das Melker Marienlied singt von Aronö „Rute", von Mosis Dornbusch, von dem
Lammfell GedeonS, von der Blume aus Icffe und von der verschlossenen Pforte00). Die-
selben Vorbilder kennt der Arnfteincr Marienleich") aus dem 12. Jahrhundert. Die
mittelalterlichen Dramen wenden diese Vorbilder ebenfalls an. In seiner Predigt vom
Sonntag nach Mariä Himmelfahrt sagt derselbe hl. Bernhard, den die „helltönende Po-
saune von Straßburg" zitiert hat: „Sie (Maria) wurde vorgebildet durch den priesterlichen
Stab (Arons), der ohne Wurzel Blüten brachte; durch das Fell GedeonS, das mitten auf
der trockenen Tenne befeuchtet ward; durch die östliche Pforte in der Vision Ezechiels, die
niemand offen stand; durch das Reis aus der Wurzel Jeffe, das JsaiaS verkündete, und
das noch deutlicher die Mutterschaft der Jungfrau voraussagt"00). Eine besonders reiche Liste
der Vorbilder der hl. Jungfrau und darunter wieder die eben genannten, stellt schon
Bischof TarasiuS (Ende des 8. Jahrhunderts) in seiner Predigt von der „Darstellung
Mariä" auf00), der Maria zusammenfassend als nobile praeconium Prophetarum
grüßt und sie anredet: in es Prophetarum speculuni et rerum ab illis praenuntia-
tarum exitus. Wie jedoch bei diesen Prophezeiungen der Erlösungsgedanke alle anderen
mariologischen Gedanken durchdringt, zeigt wieder der hl. Bernhard in seiner Predigt auf
Mariä Geburt"): „Betrachte, o Mensch, den Ratschluß Gottes, erkenne den Ratschluß
der Weisheit, den Ratschluß der Liebe. Ehe er mit HimmelStau die Tenne befeuchten will,
besprengt er zuerst das Fell; da er das Menschengeschlecht erlösen will, häuft er den ganze»
Lösepreis auf Maria." So stehen nun diese Männer des Alten Bundes, deren einzelne
Bezeichnung mit Namen immer eine Schwierigkeit haben wird, in Erwartung der bal-
digen Erfüllung ihrer Prophezeiungen oder der in ihnen gegebenen Vorbilder auf unserem
Bilde, ganz beschäftigt mit dem Bild der wunderbaren Jungfrau.

h) Die am AuSgang des TempelchenS knieende jungfräulich-mütterliche Gestalt ist
aber entschieden eine Maria gravi da. Das „et incarnatus cst de Spiritu
sancto ex Maria virginc" ist an ihr wahr geworden, oder, wie Johannes sagt am
Beginn seines Evangeliums: verbum caro factum est. Wie bezeichnend ist es, daß
gerade unter den beiden Tympanonfiguren, die den Ratschluß der Erlösung zeichnen, sich
die hl. Jungfrau befindet, in der der Ratschluß Gottes seiner Erfüllung entgegengeht! Der
Künstler bat ihr Haupt in einen golden und rot schimmernden Lichtkreis getaucht, dessen
Glanz »och ganz besonders den gebenedeiten Schoß übergießt. Sic ist wahrhaft der
„Schrein des lebendigen Gottes"00), „die hochheilig erbaute, unbefleckte und reinste Pfalz
Gottes des höchsten Königs"00), „phalnze des hiinilis", Himmelspfalz, wie Heinrich
von Melk in seiner Litanei singt, „ein gotis 1ms"00), ein „GottcS-Tabcrnakcl"'"), „Tem-
pel zugleich und Mutter Gottes"0'), „ein unzerstörbarer Tempel, enthaltend den, der
nirgends enthalten werden kann"00). S. Augustinus preist sie: „Dein Schoß ist das
Brautgemach des Wortes und des Fleisches (verbi et c-arnis), aus dem der Bräutigam
selbst hervorgeht""). In einem Hymnus heißt Maria00): „Tempel des lebendigen Gottes,
Prunksaal des ewigen Königs, Heiligtum des Heiligen Geistes", und ein anderes Lied
singt: 1» regis alti ianua et porta lucis fulgida, vitam datam per virginem,

r:l) Salzer, III. Gcsch. der deutschen Literatur I, S. 126, Beil. 19.

f'4) Salzer, S. 128, Beil. 20.

■r,r’) Breviar. Rom. In nativitate B.M.V. 1. 3, seimo S. Bernardi abbatis 8. Sept.

■’lG) Breviar. Rom. 5. die infra Oct. Conceot. immac.

“7) Breviar. Rom. i. f. B.M.V. Anxil. Christianor.

5ä) S. Johannes Damascenus, sermo 2 de dormitione BMV.

s0) S. Oermanus (f733) i. f. Concept. Immacul. 8. Dez.

,!ü) Salzer, S. 124, Beil. 18.

C1) Thomas Aq., III, 27, 2.

°") Epiphanias i. f. S. Joachim.

Cyrill v. Alexandrien in f. Oet. Nat. 8. bl. V.

ci) S. Augustin i.!. B.M.V.matris de giatia 9. Juni.

G5) Hortulus animae 1516 foi. 13.

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