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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 7-9
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Weser, Rudolf: Zur Ikonographie des Isenheimer Altars, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0088
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nennt Cyrill von Alexandrien Maria corona virginitatis 77), Krone der Jungfräulich-
keit, und Hieronymus preist sie sehr schön in dem Satze: Christus virgo, mater virginis
nostri virgo perpetua, mater et virgo, d. i. Christus ist jungfräulich, die Mutter
unseres jungfräulichen Christus ist immerwährende Jungfrau, Mutter und Jungfrau 7S),
und an anderem Orte ™) sagt er: quae et ante partum et post partum virgo per-
mansit..virgo permansit aeterna. St. Augustinus verdeutlicht das Geheimnis,
wenn er sagt: (Jesus) attulit matri foecunditatem, non abstulit integritatem80).
St. Bernhard verehrt Maria: in c>ua huinilitatßrn exaltat toeeunditas et partus
consecrat virginitatem S1). St. FulgentinS steigert die Herrlichkeit Mariä mit den
Worten: virginitas ampliata est potius quam fugata82). St. Bernhard nennt
Mariens Jungfräulichkeit: singularis virginitas, quam non temeravit, sed liono-
ravit foecunditas ss). St. Petrus Chrysologus sagt von Maria: regina exstitit to-
t i11 s castitatis S4). Bei St. Leo finden wir schon das Wort: virgo concepit, virgo
peperit, virgo permansit85), ein Wort, das dann in dem bekannten virgo ante par-
tum, virgo in partu, virgo post partum seinen prägnantesten Ausdruck gefunden hat.

e) Und nun nahen der wunderbaren Gestalt die begnadigten Zeugen und begeisterten
Verehrer deö der Vollendung entgegenreifenden Ratschlusses der Erlösung, das sind die
E » g e l, deren Anwesenheit dem Bilde den Namen „Engelkonzert" gegeben hat. Auch die
Engelscharen e r w a r t e n die Ankunft des Erlösers und freuen sich der nahen Erfüllung
ihrer Erwartung. Auch dieser Teil des Bildes hat die verschiedensten Deutungen erfahren.

Die ausführlichste und bis ins Einzelnste austüftelnde Erklärung hat Bernhartsc)
versucht. Nach ihm repräsentiert der vorderste Engel den Himmel; der zweite, geigende
Engel stellt die Menschheit dar — daS dürfte eine ganz sonderbare Auffassung sein. Die
vier kleineren Engel sollen im Anschluß an einen Adveutshymnuö (bol, astra, terra,
aequora) die Schutzengel der vier östlichen Kirchen auf jüdischem, griechisch-kleinasia-
tischem, persischem und indischem Boden bedeuten: der vorderste Engel sei der jüdische, ihm
folge in schlichtem Haar der persische, hinter diesem, einem Bakchos ähnlich, der griechische,
unterhalb in meditativer Versenkung der indische, der Buddhaähnlichkeit verrate. Hiemit
sei Maria als Erleuchterin aller Kirchen (euius vita inclyta cunctas illustrat eccle-
sias) gekennzeichnet. Weiter oben sieht Bernhart mit scharfem Auge Engel der Völker ins-
gesamt, sogar ein negroides und indianisches Köpfchen, weitere sollen noch im Dunkel stecken
(hoffentlich!). Im obersten Kreis soll Eva als mater naturae stehen, die auf Maria, die
mater gratiae, hinschaue. Die betende Gestalt unterhalb EvaS sei entweder die Königin
von Saba oder die hl. Sibylle, hinter ihr sei eine tatarische Gestalt, deren „Deutung über
kurz oder lang gelingen wird". Nun sei nur noch der links unten befindliche, grüngefiederte
Engel mit seiner „tierisch znrückfliehenden Stirn" zu erklären, eine Kombination von
Mensch und Vogel, der zu Eva anfschaue, was aber nicht zutrifft, da seine Blicklinie genau
auf Maria hingerichtet ist. Bernhart sieht in ihm den Vogel Charadrius, dessen Blick die
Kraft der Krankenheilung hat. Der Blick dieses „Vogel-Engels" sage: „Ihr Unerlösten,
Evas Fall ist euch nicht zum Tode, hoffet, der Erlöser naht und nimmt Tod und Sünde
von euch hinweg". Es ist sehr fraglich, ob die Exegese dieses Bildes noch weiter in seiner
Zerpflückung gehen kann. Das mag geistreich sein, aber es ist ebenso geistverwirrend. Ein
Husarenritt in alle möglichen Gebiete! Ob damit dem Künstlergeiste Grünewalds nicht
mehr geschadet als genützt ist? Fast wäre noch der Teufel ins Engelskonzert hereingerutscht,
was doch sicher keine kleine Verwirrung augerichtet hätte.

77) Cyrill Alex, in der homiiia contra Nestorium, früher in der 4 l. der Oktav von Mariä Geburt.

78) Hieronymus, adv. Iovinianum, Offic. BMV in Sabbato. FelN'.

7<,)) Hieronymus, exp. in Ezechielem, Offic. BMV in Sabb., 2(pvil.

80) Augustinus, de Symbolo, Off. BMV in Sabb, Mm 7.

81) Bernardus, hom 1 super Missus est, Offic. Translat. Abrah.

82) Fulgentius, de laud. Mariae, Off. BMV de Consilio 26. April.

83) Bernhardus, hom I de laud Mariae, Off. Maternitatis BMV Dom II Oct.

8i) Petrus Chrisologus, off. Puritat BMV Dom. III Oct.

85) Leo, Papst, Serm. I de Nativ. Domini, Off. Maternitatis BMV Dom. II Oct.

8G) Bernhart S. 20—35.

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