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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 7-9
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Breucha, Hermann: Tintoretto
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Rohr, Ignaz: Eindrücke aus dem Dom zu Erfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0095
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Teil zum Triumph der Farben Venedigs beigefügt. Er konnte herrliche Prunkgewänder
malen wie Veronese und Tizian, aber manchmal, besonders in seinen späten Bildern, wirft
er die Palette mit dem weichen Violett und Grün weg und seht die kräftigsten Farben hart
nebeneinander, um die Wucht des Ausdrucks zu steigern. Das Schlagwort „Expressionis-
mus" gab es zu seiner Zeit noch nicht. Aber sein Schicksal hat auch er schon erlebt. Man
hat ihn zu Lebzeiten nicht verstanden; cs war für ihn ja wohl auch kein Glück, Zcitgcnoffc
eines Tizian zu sein.

So steht er einzig da unter den Italienern der Spätrenaiffance, gleich einem Sturm,
der auf die stillen Gewässer seiner Zeit niedersauste, die Wogen aufpcitschte und in Tiefen
blicken lief?, in die vielleicht seit Giotto und Fra Angelico keiner mehr geschaut. Er ist der
innerlichste unter den Venezianern.

Unser letzter Besuch in Venedig gilt San Giorgio und noch ein letztes Mal stehen
wir vor dem unvergleichlichen Abendmahl. Noch einmal bewundern wir das geheimnisvolle
Leuchte», das ekstatisch-mvstischc Feuer, die schöne kreisende Bewegung, die immer wieder
in der Person Christi endet: wahrlich, Tintoretto ist einer der Größten der Kunstgeschichte

ElnkirMe aus dem Vom ju Erfurt.

Von Prof. Dr. I. Rohr, Tübingen-

Unter den deutschen Domen nimmt der von Erfurt eine verhältnismäßig bescheidene
Stellung ein. De» Größenverhältnissen nach ragt er an den von Köln, Speyer, Strafi-
burg oder das Ulmer Münster nicht heran. (Länge: Mittelschiffbreite in Köln 139,6 : 15;
Speyer 154,4 : 14,6; Straßburg 110 : 13; Erfurt ca. 99 : ca. 8 Meter.) Vergleicht
man die Türme, so muß er erst recht bescheiden sein. Ist doch sein Hauptturm strenggenom-
men nur ein Dachreiter. Man hat als Grund für diese Eigentümlichkeit die Tatsache ge-
nannt, daß Erfurt, entgegen dem ursprünglichen Plane des hl. BonifatiuS, nicht der Bi-
schofssitz und damit der kirchliche Mittelpunkt für Thüringen wurde. Daran ist soviel richtig,
daß Erfurt, weil nicht kirchliches Zentrum, auch nicht Kunstzentrum wurde, sondern, statt
anzuregcn, deutliche Impulse von auswärts bekam. Doch zeigt ein Blick auf Ulm, daß zwi-
schen der genannten Ursache und Wirkung kein zwingende: Zusammenhang besteht und daß
wirtschaftliche Verhältnisse auch in der Kunstentwicklung eine bedeutende Rolle spielen- Mit
besserem Grund führt man eine andere Eigentümlichkeit des Erfurter Doms ans die ge-
nannte Ursache zurück: der radikale Purismus konnte in ihm keine Orgien feiern, wohl weil
er nicht über so reiche Mittel verfügte wie zu Mainz, Köln und an anderen Orten. So erfuhr
der ursprünglich romanische Ban weder eine rücksichtslose Gotisierung, noch eine Barocki
sierung, sondern der romanische Grundpla» schimmert im Schiff heute noch deutlich durch,
und neben einigen, freilich nicht mehr sehr zahlreichen Zeugen der Staufer,zeit, also des
romanischen Stils, stehen eine ganze Fülle aus gotischer und der Barockzeit. Noch einen
weiteren Vorteil hatte die kirchliche und teilweise politische Abhängigkeit von Kurmainz:
der Dom und mit ihm eine in gar keinem Verhältnis zur Zahl der Katholiken stehende Zahl
von Kirchen blieben während der Reformationszeit und über sie hinaus bis auf diesen Tag
dem Katholizismus erhalten, bilden damit den Raum und Rahmen für den Kult, für den sie
ursprünglich bestimmt waren und sind ein Schutz für die alte, reiche Innenausstattung.
Eines aber hat der Erfurter Dom vor all seinen Genossen voraus: die Lage. Beherrschen die
andern das Stadtbild durch ihre Größe, so er durch den Hochsitz, den ihm die Erbauer ange-
wiesen. Zusammen mit der benachbarten Scverikirchc blickt er herab ans die Stadt wie die
Zitadelle auf eine Festung, und der freie Raum dazwischen, einer der größten freien Plätze
Deutschlands, steigert diese Wirkung-

Seinem ursprünglichen Plane nach sollte er eine romanische Basilika werden mit drei
flachgedcckten Schiffen, breitem Qucrschiff und einem von zwei Türmen flankierten Chor.
Der Bau begann 1154. Eine Kirchweihe wird berichtet fürs Jahr 1253. Doch kam nur
ein Teil des Werkes noch während der romanischen Bauperiode zurAusführung. Dann setzte die
Gotik ein und griff etwas später sogar sehr energisch auf die früher» Bestandteile zurück, in-
dem sie die Strebepfeiler zwischen Haupt- und Seitenschiffen zwar stehen ließ, die Seiten-
schiffe aber wesentlich erbrerterte, und ein Riescndach über das Ganze spannte. Als Vorteil

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