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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 7-9
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Rohr, Ignaz: Eindrücke aus dem Dom zu Erfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0096
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daraus ergab sich der freie, lichte Gesamteindruck des Langhauses. Davon stach nun aller-
dings der schmale Raum zwischen den in ihren Grundformen unveränderten Türmen links
und rechts vom Thoreingang scharf ab. Allein die Erbauer entschädigten dafür durch
Vorlage eines herrlichen, hochgotischen Chores (1349 ff.), der an Größe nur wenig zurück-
steht hinter dem Schiff. Die Baufreudigkeit war so groß, daß man kühn über die Geländc-
schwierigkeiten hinwegsehte und das Fundament durch gewaltige Unterbauten (Kavatcn ge-
nannt) über das Bergmassiv hinaus vorschob, also ähnlich verfuhr wie Herodes „der Große"
beim Tempelbau zu Jerusalem. Krypta und „Triangel" = Torhauü des Nordquersä,iffs,
wurden zur selben Zeit fertig (1350). Im nächsten Vierteliahrhundert erstand der Chor.
Dann folgten die „Greteu" = Treppen vom Vorplatz zum Dom, die Freikauzel links von
denselben. Wiederholte Brände (namentl. 1416, 1476 u. 1717) machen gründliche Nachbesse-
rungen nötig. Die radikalste, aber auch gelungenste, wenn gleich gewagteste von allen ist die
Einfügung eines dritten, höher» Turmes zwischen die beiden früher». Die Basis desselben
ist lediglich ein über dem Zwischenraum zwischen den zwei früher» eingespanntes Gewölbe
(Erbauer Meister Hans). Er schafft einen glücklichen Ausgleich zwischen Schiff und Cher
und sein Eindruck war ein so imponierender, daß die Restauration 1849 — 50 ihre Aufgabe
dadurch am besten zu lösen glaubte und faktisch gelöst hat, daß sie ihn an der Hand alter
Zeichnungen in seiner ursprünglichen Form wieder herstellte. Leider verfuhr man bei der Be-
handlung des Daches weniger schonend. Besser gelang die Bereicherung de'- Westfront du-ch
eine vorgelagerte Terrasse und ein allerdings etwas nüchternes, aber weithin sichtbares M--
saikbild Mariens.

So haben denn sieben Jahrhunderte an dem Dom gebaut, erweitert und erneuert. Wenn
er trotzdem von außen einen verhältnismäßig einheitlichen Eindruck macht, so verdankt er es
den klugen und geschickten Händen, die die radikalste Veränderung Vornahmen: die Goti-
sierung deS Schiffs und die Harmonisierung mit dem ursprünglich unverhältnismäßig
langen Chor durch Einfügung des Hauptturmes. Und bei allem großzügigen Schaffen litt
doch die Feinbeit und Gediegenheit des Details nicht. Auch bei der Betrachtung der einzelnen
Bau- und Zierglieder bleibt der Gesamtcindruck des Gediegenen und Soliden.

Die Erforschung der Innenausstattung vertieft denselben. Auch bier ein eifriger Wett-
bewerb der Iabrhuuderte. nach Kräften rum Schmucke des GottesbauseS beirutragcu. Leider
lüelt nun freilich die spätere Zeit ibre Leistungen für besser als die der früheren und ver-
drängte sie. Aber aanr radikal verfubr man erfreulicherweise doch nicht. So setzt denn die
Frühzeit c>n mit Ampel, Türklopser, Kerrenl,alter. Maria als Altaraufsatz. Einen Wende-
vunkt kündet das Grabmal des Grafen Ernst v. Gleichen 7U'ckvrnnalich im PetersklosterV
Nach der Pfrchofe aeaen die Mitte deS 14. IabrbundertS (Pest, Iudemno-de. Gcißlerfabr-
ten) und den unmittelba'- vorangeaangenen Entscheidungskämvsen »wischen Adel und Zünften
schafft der Bau des bochgotischen Chors (1349 ff.) und des Trianaels 7s. o.) ein reiches Ar-
beitsfeld für di- Mastik und die Innenkunst überl'aupt 7Cl,oraestülil 1460— 1410. Altar-
Maria mit Einhorn als Altarblatt — fl410— 1420V Cbo-fenster ans derselben Z-it, Grab-
mäler (1479 fs.V Rel>-s — Maria. Kalba-»"». Aanes — 71430— 1440'), Maadaleua
71450—1460'). St. Bonifatius 71470'). An-a lelbdritt 71475—15O0V Beweinung
Christi (1495V Altartasel nrit vier Keiliaen in, sndliären Seitenschiff von» ..nmaereN Mei-
ster der architektonische» Baldachine" 7aleichsalls 1495V Johannes de-- Täufer und Aohan-
nes der Evanaelist 71500V ei» Gobelin und das G'-abmal des IobanueS von Herinaen
71500V das Ceuiug-Göds 71571') von Pater Bischer, Temperabild vo» Lukas K-ou'ch d. A.
7ea. 1577), Maria mit d-m Kinde. Katbariua und Barbara: silberne, teilweise vergoldete
Buchdeckelverzierungen (1530—1540V Gobelin mit Christus als Kinderfreund — Mitte
des 16. Iahrlmndertö, au der West»,and des LanaharsseS angebracht, der monumentale
Taufstein mit Umbau von Bilds,aue- HieronnmuS P>-euster im Auftrag des DompropsteS
Konrad von Breitenbach, erstellt im nördlichen Seitenschiff im Jahre 1587, im ausklingen-
den Renaiffaneestil gehalten und stchtlich als Pendant »um Taufstein der benachbarten
S- Severikirche gedacht, ohne freilich das Ideal zu erreichen. Es folgt der barocke Hoch-
altar vom Iabre 1697, gestiftet von Kanonikus Peter Theodor Jordans, allem nach von einen,
auswärtigen Meister ausgeführt. Auch de>- marmorne Kruzisi'-altar des nördlichen Seiten-
schiffes, eine Stiftung des Mainzer Weihbischofs Ioh. Daniel Gudenus und seines
Bruders, des Erfurter Geschichtschreibers Ioh. Moriz Gudenuö (daher die denselben

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