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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 10-12
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Weser, Rudolf: Zur Ikonographie des Isenheimer Altars, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0110
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ewige Heil dem Menschengeschlcchte erschienen ist". Himmelsfreude und Erdenfreude er-
gieße» sich in berauschendem Jubel vor dem erniedrigten Gottessohn!

g) Nun bleiben noch übrig zu erklären der R o s e n st o ck, das W a s s e r und das
K i r ch c n g e b ä u d e aus der rechten Seite des Bildes. Sollten es nicht Andeutungen
der Gnaden sein, die der Erlöser der Welt bringt?

Die Rose wird zunächst sehr häufig als Sinnbild der Mutter Gottes aufgefaßt
wegen des Wohlgeruchs ihrer Tugenden und wegen ihres Mitleidens mit dem Gekreuzigten
oder wegen ihrer Mutterschaft''"). Ein alter Hymnus singt: Ave princeps generosa,
martyrumque prima rosa, virgiinimque lilium130). Oesters wird Maria auch als
„Rose von Jericho" bezeichnet. Es wird erzählt, daß bei der Quelle Jerichos, die Elisäus
aus einer salzigen zu einer süßen machte, diese Rosen wachsen. Sie öffnen sich in der Nacht
von Weihnachten, um sich dann wieder zu schließen. So wird dann diese Rose zum Sinn-
bild der jungfräulichen Mutterschaft Mariens'3').

Allein auf unserem Bilde wird sic besser als Sinnbild Christi gefaßt. Im
50. Kapitel, Vers 8, seines Buches berichtet Jesu Sirach von dem Hohenpriester
Simon II., des OniaS Sohn, ca. 217 vor Ehr., er habe geglänzt im Volke Gottes, quasi
flos rosarum in diebus remis, wie eine Rosenblüte in der Frühlingszeit. Dies wird
auf Christus angewendet von den Vätern, z. B. Ambrosius, der sagt, Jesus sei in der
Farbe seines vergossenen Blutes wie eine Frühlingsblüte erblüht'3'). S. GermanuS grüßt
Maria als die vor Gott lieblich duftende Lilie, welche die unverwelkliche Rose sproßt zum
Heile derer, welche die verpestende seelentötende Bitterkeit deS Todes getrunken hatten'33).
Denselben Ausdruck gebraucht S. Epiphanius: „Die Jungfrau ist die unbefleckte Lilie,
welche die unverwelkliche Rose C h r i st u S g e b o r e n hat"'3'). Nun ist es
doch wohl nicht ohne Absicht, daß der Rosenstock unseres Bildes drei Rosenblüten trägt.
Wir möchten sie als die Himmelsrosen der ewigen Weisheit, als fides, spes, caritas,
als Glaube, Hoffnung und Liebe als die schönsten Jugendblüten bezeichnen, die Jesus, die
ewige Weisheit (sapientia patris), der Welt zu ihrem Heile gebracht hat und bringt'33).

I>) Das soeben genannte liebevolle und glänzende Charakterbild, das Jesu Sirach von
dem Hohenpriester Simon gezeichnet hat, scheint auch für die beiden andern Darstellungen
den Künstler inspiriert zu habe». In Sirach selber weckt die ausgezeichnete Erscheinung
und die erhabene Tätigkeit seines Helden die Hoffnung auf die Erlösung Israels: „Damit
Israel glaube, daß mit uns sei Gottes Erbarmen, um uns zu erlösen zu seiner Zeit"
(Vers 26). In seinem Charakterbild nun heißt Vers 3: „In seinen Tagen ward der
Wassertcich gegraben, ein Becken, wie ein Meer im Umfang". So läßt der Erlöser einen
puteus aquarum aufquellen, die Wasser seiner Gnade, besonders das Wasser
der hl. Taufe, das Grünewald in dem seeartigen Behälter darstellt. Dieser Wasserteich
oder Sec ist zur rechten Seite des Kirchengebäudes auf unserm Bild. Das dürfte eine
Anspielung sein auf den Ostersang bei der WeihwasserauSteilnng: vidi aquam,
egredientem de templo a latere dextro et omnes ad quos pcrvenit aqua ista,

Montaull, traite d’iconogr. ehret. I 138; la rose cst lo Symbole de Christ a cause de sa passion, de
la Vierte ä cause de sa maternite.

IM Fest. VII Dol. BMV 15. Sept. resp. 1. 8.

1:l1) Cornelius n Lapidc, Comment. in Eccli, S. ?23.

13') Sh Ambrosius, de spirito sancto c 5.

J:iri) S. GermanuS, in lest» Immac. Conc. 1.7, „immarcescibllem rosam germinans“.

I31) S. EpipHaniuS, in Oct. Conc. Immac. I. 8 virgo est lilium immaculatum, cpiae rosam immarcescibi-
lem genuit Christum.

135) Es ist eigenartig, daß Cornelius a Lapide, wo er die Stelle quasi rosa planiata super rivos aqua-
imn in seinem Commentar in Eccli S. 819 erklärt, wie als eine Anmerkung beifügt: „8. 3oIia (id est sapien-
tia) genuit tres filias quasi tres rosas, easque educavit ad virginitatem et martyrium, quod gloriose obie-
runt sub Hadrians Imp. Nomina earum sunt Fides, Spes, Charitas sive, ut üracci graece eas in Menologio
vocant. Pistis, Elpis, Agape, worauf er das Martyrium erzählt. Müller und Mothcs, Archäol. Wörterbuch
s. v. Sophia sagt: „Die göttliche Weisheit, sehr sinnreich in einer Legende als römische Matrone und Mutter
der drei theologische» Tugenden Fides, Spes und Caritas personifiziert." Dazu ist übrigens zu vergleichen
das Kirchenlepikon von Weher und Welte, s. v. Sophia, wo die Wirklichkeit dieser Martyrerpersönlichkeiteu
verteidigt wird.

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