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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 40.1925

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Nr. 10-12
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Weser, Rudolf: Zur Ikonographie des Isenheimer Altars, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15943#0117
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oportere deinceps diristianum populum crescere, clecrescere Judaeum160).
So steht der Demut des großen Propheten gegenüber die am Kreuze erniedrigte und doch
weltüberwindcnde Gestalt des Welterlösers. Von diesen Erwägungen aus betrachtet, wird
das Wort vom Wachsen und Abnehmen an dieser Stelle auf diesem Bilde verständlich.

Das zu Füßen des Johannes stehende Lamm mit seinem Kreuzstab und dem Kelch,
den eö mit den Vorderfüßchen hält und in den sein Blut rinnt, kan» zunächst als das
Paffahlamm gelten, das aber ein Vorbild des wahren agnus Dei ist. Bemerkenswert
ist eben das aus dem Herzen des Lammes rinnende Blut, das dem Blute Christi, das aus
seinen Wunden guillt, ganz deutlich gegenübergestellt ist. Der Kelch jedoch, in welchen daS
Blut des Lammes fließt, ist gar nicht anders aufzufassen denn als ein Sinnbild des
Opfers der heiligen Messe, das unmittelbar vor dem ganzen Krcuzigungsbild ans dem
Altäre dargebracht wird. So klingt das auf diesem Bild gesungene Lied vom Kreuzes-
opfer des Erlösers aus in die immer sich wiederholende Strophe von dem fortwährende»
Erinnerungs- und Erneuerungsopfer der heiligen Messe: das ecce agnus Dei des Täufers
wird zum ecce agnus Dei der Kirche.

c) Keiner weiteren Erklärung bedarf das rührende Predcllabild von der B e w e i
n u » g des Leichnams Christi durch Maria, Magdalena und Johannes Ev. Nur muß
darauf hingewiesen werden, daß diese Darstellung eine tiefe Beziehung zur heiligen Kom-
munion in sich schließt.

f) Die beiden Flügelbilder des hl. A n t o n i u s Eremit» und des hl. Sebastian
dürften auch nicht nur reine Andachtsbilder sein. Zunächst ist ihre Auswahl durch das
Antoniterspital als Ort ihrer Verwendung gerechtfertigt: St. Antonius als OrdeuSheiliger
und Patron, St. Sebastian als Patron bei ansteckenden Krankheiten. Das Tcufelchen,
das hinter dem hl. Antonius oben das Fenster zertrümmert, vermag die ehrwürdige Gestalt
des Einsiedlers nicht aus der Fassung und Seelenruhe zu bringen. Der Ansturm der Welt
gegen den Christensinu in der blutigen Verfolgung und im Martyrium vermag dem ritter-
lichen St. Sebastian nicht die Krone zu rauben, die ihm die Engel des Himmels entgegen
halten. I n n e r e F e i n d e und äußer eFeinde vermögen nichts gegen den, der sich
zum Erlöser hält und aus seinem Kampf Stärke und aus seinem Opfer Opfermut holt.
Wenn es wahr ist, daß im hl. Sebastian ein Selbstporträt Grünewalds gegeben ist, dann
läge darin wohl auch ein Zeugnis für des Künstlers gläubige Seele.

VI. Die Erlösten.

Nach zweimaliger Oeffnung des Schreines erscheint das dritte Wandlungöbild des
Altars, diesmal ein Schnitzwerk mit zwei gemalten Flügeln. Der ganze Aspekt ist eine
Widmung an die erlösten Glieder des Gottesreich S, a n die Hei-
lige».

a) In der Mittelnische der dreiteiligen Predella befindet sich eine Halbfigur Christi
mit der segnend erhobenen Rechten, in der Linken die vom Kreuz gekrönte Kugel — eS
ist die gewöhnliche Darstellung des redemptor mundi oder salvator mundi. Rechts
und links von dieser Nische ist die Schar der Zwölfboten, in die beiden Seitennischen
anfgeteilt, je sechs auf jeder Seite, von denen je drei immer als Brustbilder zusammen-
komponiert und aus einem Stück Holz geschnitten sind, mit ihren Emblemen und Marter-
werkzeugen, dem Zeichen ihres Triumphes. Diese Darstellung erinnert an das Gericht,
das der Erlöser hält unter Assistenz der „richtenden Schar der Apostel" und unter Fest-
haltung des Moments des Richterwortes: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, und
besitzet das Reich, das euch bereitet ist feit Grundlegung der Welt" (Matth. 23, 34).

b) Darüber erhebt sich die ebenfalls dreiteilige Hauptbildnerei: in der Mitte der
Patron des Ordens und Klosters, St. Antonius der Einsiedler, nüt seinem charakteristi-
sche» Antoniuskreuz, dem Schwein zu den Füßen, sitzend auf einem ThronuS. Er ist hier
der Hauptvertreter aller Erlösten und Typus des heiligen Lebens. Die Nischen zur Seite
der Mittelnische schließen ein rechts (von Antonius) St. Augustinus, als den Vater der

lc‘JJ Ambrosius, üb. 2 in c 3 Lucae.
 
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