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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 41.1926

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1. Heft
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Rohr, Ignaz: Kirchenrestaurationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15944#0022
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niedrigeren Chorraum getrennt durch eine mäßig hohe Mauer, die sich zur
Aufnahme von Blumen und Blattpflanzen trefflich ergnet. Die Fenster sind
weit gesprengt, oben elliptisch abgefchloffen und durch Stabwerk gegliedert und
gestützt. In die Wände sind lichtgraue Reliefstationen von Eduard Müller
(Terracotta) — bezogen von der ars sacra, München — eingelassen. Die
Beleuchtungsanlage erstellte Ierg-Aalen, die Beleuchtungskörper des Schiffs
Holbein-Gmünd. Der Chor wird von unsichtbaren Scheinwerfern beleuchtet.
Sein Tageslicht erhält er durch ein breites Fenster von der linken Seite her.

Die Strebepfeiler und das Stabwerk klingen an den gotischen, die Ge-
wölbe- und Schiffdisposition an den romanischen, die Säulenkapitäle an den
byzantinischen, der Hochaltar an den klassizistischen Stil an, und doch ist der
Gesamteindruck ein geschlossener und erhebender, und er wird noch gesteigert
durch die Malere i.

Dieselbe wurde einer einheimischen Kraft, Herrn Kunstmaler L. Ret-
t e n m a i e r, übertragen, der bei Ettle gelernt und dann auf der Stuttgarter
Knustschule sich weitergebildet hatte. Im vorigen Jahre hatte er die Bema-
lung der kathol. Kirche in W a ch b a ch bei Mergentheim zur allgemeinen Zu-
friedenheit durchgeführt. Wenn der Zweck der Innenmalerei der ist, die Archi-
tektur zu betonen, so ist derselbe in Hüttlingen erreicht. Die Schiffwände er-
hielten einen bläulich-violetten Grundton und darauf ein scheinbar rein will-
kürliches Durcheinander breiter, bald blauer, bald grüner Pinselstriche. Tat-
sächlich aber ergibt dies merkwürdige Nebeneinander einen harmonischen Zu-
sammenklang von Ruhe und Bewegung, aus dem sich die lichten Platten des
Bodenbelags (Solnhofer Schiefer), die Steinfarbe der Fensterstäbe, der
schimmernde Ton der lichten Sandsteinsäulen und die feine Marmorierung
der Altäre deutlich herausheben. Noch ruhiger präsentiert sich die Bemalung
der Chorwände. Trotz der Herzen, Adler, Hirsche und Löwen, mit denen sie
operiert, wirkt sie teppichartig und hebt die Sandsteinqnadern des Hochaltars,
feine blinkende Metallarbeit und die den Tabernakel flankierenden Heiligen
in silbernem Gewand (Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist)
nachdrücklich hervor.

Das malerische Hauptwerk jedoch, ein e v o n d er G em eind e g estif-
te t e K r i e g e r e h r u n g, enthält der alte Chor der Kirche. Seine Westwand
nimmt die Treppe zur Orgelempore ein. In der Nordostecke steht der solid
gearbeitete Rokokotanfstein. Die Stirnseite (Ost) erhält ihre Beleuchtung
durch zwei gemalte Fenster aus früherer Zeit (Mariä Verkündigung und
Rafael mit dem jungen Tobias). Ein weiteres Fenster halbiert die Südwand.
Auf dem oberen Teile der Nordwand ist der Ausmarsch, auf dein der Ostwand
der Soldatentod und ans der Südwand die Heimkehr dargestellt.

Der Auömarsch zeigt Feldgraue, die mit geschultertem Gewehr an einem
Kreuz vorübermarschieren, unter ihnen als unheimlicher Kriegskamerad auch
der Sensenmann. Die Entschlossenheit und die Begeisterung der Mobil-
machungstage haben hier einen drastischen Ansdruck gefunden, und die Wucht
der Marschbewegung ist packend zur Darstellung gebracht. Der wehmütige
Unterton spricht ans den Frauen in der Umgebung des Kreuzes, und der Kru-

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