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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 42.1927

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1. Heft
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Rohr, Ignaz: Der künstlerische Charakter des Heiligkreuzmünsters zu Gmünd: Festrede beim sechshundertjährigen Münsterjubiläum
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https://doi.org/10.11588/diglit.15945#0005

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Redigiert von Pros Dr. A. Nägele/ Schwab. Gmünd, Bsgclbof 3.

Eigentum des Roltcnburgcr Diözcfan-Kunstvcreins c. B. Erscheint viertcliährlich. KommisfionS-Bcrlag und Druck der
Schwabcnverlag Aktiengesellschaft Stuttgart. Bezugspreis jährlich Mk. 7.50. Man bestelle ansschlicfilich beim Verlag.

XLII.

1. Heft

1927

Der künstlerische llharnkter Des lheiligkreujmünsters ju DmünD.

Festrede beim sechshundertjährigen Münsterjubiläum von Prof. Dr. Rohr, Tübingen.

In meinem Handexemplar der „Kirchlichen Kunstaltertümer Württem-
bergs" von Paul K e p p l e r, dem damaligen Profeffor und jüngst verstürbe'
nen Bischof, liegt seit 37 Jahren ein vergilbtes Blättchen Papier, ein Post-
fahrschein von Gmünd ins Leintal. Mir bedeutet es wesentlich mehr und das
i>i der Grund, warum ich es aufbewahre. Es bält den Tag fest, an dem ich
meine Anschauungen über die Gotik gründlich korrigierte. Bisher sah ich das
Charakteristische der Gotik in dem Himmelanstürmenden, dem Sursum
corda, und der Freude am Halbdunkel. An jenem Tage sah ich einen Bau:
licht, sonnig, klar, übersichtlich, weiträumig, ebenmäßig, fest verwurzelt im
Gesamtbild der Stadt und auf deren Häuser herabblickend, wie die Mutter
auf ihre Kinder. Es war die Gmünder Heiligkreuzkirche, heute
wieder, wie ehedem, Münster genannt.

Es dient denselben Zwecken wie die IohanneSkirche, aber ist nicht, wie
diese, umwogt vom Gewühle des Marktes, sondern liegt abseits an stiller
Stätte, und doch dem Getriebe so nahe, daß wenige Schritte genügen, um zu
dem Herz ruh' aus zu gelangen, das es bietet — zur Ruhe, zur Abkehr von
der Welt, zur Hingabe ans Jenseits. — Zunächst betrat der Besucher den
Gottesacker, da seine lieben Toten beigesetzt waren und er selber einmal zur
letzten Ruhe gebettet werden sollte. Eine Mauer schloß den hl. Bezirk ab
und gewährte in ihren Nischen Raum für Familiengräber. Eine eigene Ka-
pelle beherrschte diese Grablege, bis sie jener nüchtern rechnenden Zeit zum
Opfer fiel, die in Kirchen, Kapellen und Ruinen die beqneinsten Steinbrüche
sah.

Nun zum Bau selber! Vorher aber eine Forderung des Anstandes und
des Dankes: Von der Kathedrale von Canterbury in England sagt man,
jeder Stein an ihr sei erforscht. Beim Gmünder Münster sind es nicht nur die
Steine, sondern eine Masse von Urkunden, Registern und kunftgeschichtlichen
Parallelen, und all dies Detail in überraschend klarer Perspektive hineinge-
 
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