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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 42.1927

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2. Heft
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Naegele, Anton: Die Generalversammlung des Kunstvereins der Diözese Rottenburg in Schwäb. Gmünd und die Ausstellung von neuzeitlicher Gmünder christlicher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15945#0071

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bei- Blick für das eigentlich Künstlerische nicht immer in dem Maste bei Bestellern und
Lieferanten mancher „Werkstätten für christliche Kunst" geschärft worden und geblieben,
wie bei der heutigen Profankunst. Fiir jede echte christliche Kunst gilt nicht: Kunst für Kunst
oder Künstler, sondern Kunst für Gott!

Christliche Kunst ist nur der bildnerische Ausdruck christlicher Gedanken und Empfin-
dungen. Wer für Religion und Kirche schaffen will, muß selbst religiös, kirchlich gesinnt
lein, muß die reine Absicht haben, ju Gottes Ehre und des Nächsten Erbauung die höchsten
und heiligsten Geheimuiffe in würdige Form zu kleide». Nur der wird, wie Freiherr von
Hertling, der große Philosoph und Staatsmann, einmal hervorhob, nur der wird ein christ-
licher Künstler sein, der die christlichen Gedanken im Herzen ausgenommen hat, denn nur
das, was von Herzen kommt, spricht zum Herze». ^

Au Stoffen, an Idealen und Antrieben, die zum Schaffen anregen, kann es keinem
Künstler weniger mangeln als dem Meister religiös-kirchlicher Kunst. Wohl darf auch er
dem Kunstwerk feine Eigenart aufprägen, die ganze einzigartige Geschichte der christlichen
Kunst beweist dies Recht und feine Betätigung. Aber es verhält sich beim bildenden Künstler
wie beim Dichter mit Individualität und Überlieferung, Person und Stoff: wohl prägt
der Dichter der Sp-ache seine Eigenart auf, aber er wird die Sprache nicht umprägen
wollen, sonst würden wir ihn nicht verstehen. Ebenso ist der Künstler an die Tradition
gebunden, darf sich nicht rücksichtslos außer aller TraditicnScntwicklung stellen, die gerade
auf dem religiösen Gebiet denkwürdige, unersetzliche Tvpen geschaffen bat von der Kata-
kombenzeit an. „Es ist leicht, mit den Traditionen zu brechen und mehr oder minder be-
merkenSwerte Kunstwerke ju produzieren; daß man dabei ein Michelangelo fei, ist nicht von
vornherein zu erwarten." Nicht leicht, das geben wir in diesem Falle zu, ist die Versöhnung
der christlichen bildnerischen Tradition mit der vorwärtsstrebenden Eigenart des Künstlers.
Daß feste Glaubensdogmen und Ehrfurcht aegcn die Tradition die Kunst nicht in Fcsieln
schlagen, zeugt jedes Blatt t»id jedes Jahrhundert der christlichen Kunstgeschichte. Zur
höchsten Würde, die für menschliche Kunst erreichbar ist, schwingt sich die Kunst empor, die
für Gottes Eb"e und die Erbauung der Mitmenschen arbeitet init dem Aufgebot aller
Kräfte. Diese sind bedingt durch die Kraft des religiösen Geistes des einzelnen wie der Zeit,
in der er lebt, aber auch durch die Höbe künstlerischen Können« und WollenS, die ebenfalls
vom Stand der Kultur einer Zeit und eines Volkes abhängt. Mag auch die althergebrachte
Formensprache immer wieder wechseln, vom unwandelbaren Geist des Christentums muß sie
durchdrungen fei». Die neue Formeusprache darf fe ncr nicht nur auf die ästhetischen Be-
dürfniffe gebildeter Oberschichten Rücksicht nehmen, sie muß auch zum Volke sprechen. Es
verbieten sich für die christliche Kunst Sprachmittcl, die dein Volk völlig unverständlich sind,
>vie bei manchem erotischen, vom Chinesen und Iapanertum importierten Svrachidiom
modernster kubistischer Schulen, ein übersinniger Symbolismus, der beinahe in Wahnsinn
überschnappt.

Nicht äußerliche Nachäffung der alte» Formen bezweckt und verlangt der Anschluß an
die Großkunst der Vergangenheit, sondern „kongenial herausschaffen aus dem Geist der
alten Stile" fei die Losung. Reproduzieren altüberlieferter Formen, die geisttötende Herr-
schaft der Schablone darf sich mit Nichten als „christliche Kunst und Kunstanstalt" präsen-
tieren. „Die Dutzendware bat mit der Kunst nicht« zu tun", erklärte einmal unser kunst-
sinniger hochseliger Bischof Paul Wilhelm von Keppler: wer e« mit der christlichen Kunst
ernst nehme, müsse sich fernhalten von mechanischem Reproduzieren und Schablonisieren,
sonst fehle bei den Werken die dem Volke so snmpatlstsche Sprache zum Herren, die an«
Herz greifende Naivität. Wie den Hauptschichten des Volkes, so muß auch den Zeitgenossen
die Sprache des Künstlers verständlich fein, muß an die berechtigten Zeitströmungen sich
anlchnen, muß aus der Gegenwart schöpfen.

IV.

Diese grundsätzlichen Bemerkungen hinsichtlich der Rückwärts- und Vorwärtsschau sind
veranlaßt durch das Auftreten von zwei deutlich sich abhebenden Gruppen von Gmünder
Ausstellungswerken rind mögen dort sachliche, wohlwollende Beurteilung finden, aber auch

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