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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 42.1927

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3. Heft
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Spektator: Religiöse Kunst in der Jubiläumsausstellung des Württ. Kunstvereins in Stuttgart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15945#0103
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gewaltigen und deren Stellvertreter könnte beinahe auf diesen Gedanken
bringen, doch sei dem schnöden Argwohn hier kein Raum weiter gewährt. Es
mag auch von der bildenden Kunst im Schwabenland UhlandS stolzes Wort
gelten: „Nicht an wenig stolze Namen ist die (Lieder-)Kunst gebannt. Aus-
geftreuet ist ihr Same über alles deutsche Land."

Mit der Wiedergabe von Gedanken oder Begebenheiten voll zentraler
Bedeutung fürs Christenleben beschäftigen sich zwei Künstler, die Maler
Wilhelm Geyer in Ulm und Theodor Wal; in Stuttgart, und um es
gleich vorweg zu betonen, in einer dem allgemeinen AusftellungSniveau durch-
aus ebenbürtigen Weife. Geyer, ein junger, vielversprechender Kirchenmaler,
der seinen Sitz von Stuttgart nach Ulm jüngst verlegt hat, malt eine Heim-
suchung Mariä und Geburt Christi größeren Umfangs, wohl mehr als Tafel-
bild denn als Altarblatt gedacht. Eine wunderbare Zartheit umduftet die
Erscheinung der Jungfrau von Nazareth und sticht um so mehr von der
Farbigkeit und Eckigkeit der Gestalt der Elisabeth ab. Die ätherisch ver-
schwommene, lyrisch-anmutige Gestaltung entbehrt nicht der dramatischen
Komposition des Vorgangs, der fast auf den ersten Blick an eine Verkün-
digungsszene erinnert. Auffassung, Durchführung und Wirkung des ersten
Gemäldes in der Nähe wie in der Ferne wollte dem Beschauer und Bericht-
erstatter besser gefallen als das zweite Geversche Bild: Geburt Christi. Hier
trägt sein Pinsel breiter und gröber auf, für ein auf einige Nähe berechnetes
Altar- und Standbild beinahe zu kellenhaft. Des heiligen Josephs Kopf
erinnert an das eckige Profil der heiligen Elisabeth auf dem erstgenannten
Gemälde und läßt in seiner andächtigen Haltung noch am meisten die höhere
Weihe der Familienszene von Mutter und Kind fühlen und ahnen. Steckt
nicht in dem Meister der duftigen Kunstatmosphäre der Heimsuchung das
Zeug zu einem Freskomaler, wenn zum Geist und Wollen daö Können der
fabelhaften Licht- und Luftperspektivenmaler des 18. Jahrhunderts kommt?

Noch uneingeschränkter und vorbehaltloser muß das Lob sein, das dir
Kreuzigung des Malers Th. Walz auf den ersten Blick verdient. Mir
dünkt der persönlich unbekannte Maler im visionären Schauen und technischen
Gestalten ein naher Verwandter Geyers zu sein, nur liegt ihm nicht das
nebelhafte Ätherische, Entrückende der Geyerschen Heimsuchung, was bei
einer Kreuzigung von solch ergreifender Wirkung kein Manuel sein mag.
Wie eine Mischuna Grünewaldischer und DonatelleSker Wucht und Kraft
und Gefühlsstärke spricht Kovf und Leib des Gekreuzigten an. Mariä Mag-
dalena und Johannes am Fuß des Kreuzes repräsentieren die Träger der
verschiedenen Tonstärke des Kreuzesleids. Wenn der Zauber der fast Böck-
linisch strahlenden Farben dauerhafter ist als auf den Gemälden deS neuen,
deutschschweizerischen Meisters von Fiesole, stehe ich nicht an, der Walzschen
Kreuzigung die Palme zuzuerkennen, zumal über der Farbenkunst die ge-
diegene Zeichnung und Durchmodellierung der Figuren nicht vergessen ist,
wie auf so vielen modernsten Schöpfungen von Pinsel und Meißel (siebe
Katalog Nr. 264 u. 265 Geyer. 288 u. 34 Walz). Leider ist unter den in den,
Iubiläumskatalog angefügten Illustrationen (32) keines der drei Gemälde

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