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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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1. Heft
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Pfeffer, Anton: Rudolf Cammisar
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0021
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In den mit vollendeter Sicherheit geschaffenen Zeichnungen ist die
Natur mit einer rührenden Innigkeit und Liebe erlauscht lind mit nie versa-
gendem künstlerischem Instinkte zu unmittelbarem Leben erhoben. Scheinbar
mühelos werden die Motive zu Schöpfungen von Geschlossenheit lind Ein-
dringlichkeit der bildlichen Wirkung. Niemals verführen die Sicherheit und
Leichtigkeit der wefenstrenen Objekterfaffnng zur Nonchalance, Flüchtigkeit
und Unruhe. Da walten innere Gesetze der Treue zum Vorwurf. Da ob-
waltet eine rührende Liebe zum letzten Hälmchen und GräSchen. Es sitzt jeder
Strich; nirgends seelenlose Pedanterie. Die urtümlichen, balkenmächtigen,
einsamgroßen Wehre des Lautertales im schwäbischen Albgebiete; die wuchti-
gen Wettertannen und Ahorne des Schwarzwaldes; die knotigen und knorri-
gen, wie vom Hagelwetter zerbeulten Weidenftrünke; die Felsenkolosse im Ge-
birgsbache; sie atmen etwas von der Kraft der Jahrhunderte, denen sie ge-
trotzt. Nur unendlicher Fleiß, der nicht nach Arbeitsstunden mißt oder selbst-
gefällig der Willens- und Geistesspannung sich bewußt ist. vermag dieser Art
feinsten Strich an Strich zu setzen, und zwar mit der Kielfeder, welche
mit peinlicher Treue selbst geschnitten und zurechtaemacht wird. Ein Riesen-
reich des teclurischcn WollenS und Könnens durchschritt Canunisar, ehe ihm
diese sichere AuSdruckSaestaltung zur nie versagenden Begleiterin wurde. Wem,
man in diese eiserne Zucht deS Willens schaut, wird man an Bruckner ge-
mahnt. den auch länafteS Studium auf der Oraelbank nur immer mehr an
seine eigene Welt fesselte. Die Seele der Ncckarlandschaft zwischen Alb und
Schwarzwald oder des oberschwäbischen Rieds ist so mit geringen Mitteln
zu voller Stimmkraft erhoben.

Wer die graphischen Blätter Cammisars vor sich hat. schaut in
dieselbe Welt des seelenvollen linearen Rhythmus und wesenhafter Bildgestal-
tuna voller Seele und Tiefe, voll Zartheit der Auffassung, voll Blütenduft
und Sonnenglanz — als ob auch das eigene Leben voller Sonnenalanz und
Poesie gewesen wäre! Uber den Radierer Cammisar bat die Fachwelt
längst ihr Urteil, so daß hierüber weiter nichts gesagt ;u werden braucht.
Wenn Eammilar in seinen Gemälden die Licht-, Farben- und StimmunaS-
probleme der Luft kündet, gelingt ihm ein DathoS. das zum tausendfach schil-
lernden. subtil gemalten und doch einheitlich wirkenden Blütentenvich seiner
Frühlingswiesen in vollem Ge-wnsatz steht. Der Sckmelz der Farben und
ihre Leuchtkraft erinnern an Segantini. Gegenüber diesen Blütenwundern
der Frühlinaswiese denkt man: so malt nur ein Poet, und bekommt dann im
nächsten Bilde: ..FrüblinaSaewitter" eine so dräuende Kraft gebändigter,
vor der Entfesselung stehenden Naturocwalten m sehen, daß man GotteS
Allmacht gleichsam körperlich fühlt. Die Sicherheit des Technischen in der
Bewältigung verschwimmender Konturen durch Wasserfarben zeigt glich hier,
wie Eammisar daS äußere Können als AuSdruckSmittel handhabt.

All das Geschilderte, Landschaft und Wolkenhimmel, die Natur in all
ihren äußeren Erscheinungsformen stellt Cammisar im neuesten Stadimn
seines Schaffens in den Dienst des religiösen Gedankens. ..Vertrei-
bung aus dem Paradies", Szenen ans dem „Jüngsten Gericht", „Stur; der

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