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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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2. Heft
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Rohr, Ignaz: Rottweils Kirchen im Lichte der mittelalterlichen Baukunst Schwabens
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0041
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der Hoch- und Spätgotik. Dazu gehören der Rottweiler Kapellenturm vorn
Anfang des 14. Jahrhunderts. Dann kommt die Eßlinger und Reutlinger
Frauenkirche, die Rottweiler und Gmünder Heiligkreuzkirche.

An der Rottweiler Heiligkreuzkirche ist hochgotisch der Chor. Die Ge-
wölbejoche sind »och säuberlich voneinander geschieden und je nur durch Dia-
gonalrippen gegliedert. Eine gewisse ruhige Klarheit ist ihnen eigen. Die
Schiffe des Langhauses dagegen sind spätgotisch, und zwar wurden die Seiten-
schiffe früher eingewölbt als das Mittelschiff. Die Pfeiler sind größtenteils
eingezogen, und damit ist Raum gewonnen für anmutige Kapellen im Süd-
und Nordschiff. Eine weitere, sonnige Kapelle wurde geschaffen durch Fort-
führung des Südschiffes bis zum Beginn des Chorpolygons. Die Mittel-
schiffpfeiler verzichten auf ein Kapitäl und verästeln sich im Gewölbe zu hüb-
schen Sternen, also nicht in wahlloser Häufung der Gebilde der Zirkelkunst.
Der Pfeilerschaft hat keine glatten Wände, sondern zeigt ein anmutiges Spiel
von Licht und Schatten und bereitet dadurch vor auf den reichen Wechsel der
Gewölberippen. Der Unterschied gegenüber den massigen Pfeilern der Innen-
seite des Turms springt in die Augen. Sie sind noch romanisch, wie der ganze
Turm bis zu den Schallöchern und das Westportal. Die Restauration in den
vierziger Jahren durch eine Autorität wie Hcideloff, und die der jüngsten
Jahre haben das Ganze zu einem Schmuckstück des ganzen Stadtbildes und
einem Juwel mittelalterlicher Kunst gemacht.

Für die Entstehungszeit aber ist die Heiligkreuzkirche der Ausdruck städti-
schen Machtgefühls und religiösen Gottvertrauens. Ums Jahr 1350 begann
die Stadt mit dem Neubau des Chors, in einer Zeit, in der sie sich bereits
behauptet hatte in einer Menge von Fehden gegen die Mächte des FaustrechtS.
Burg und Städtchen Zimmern (Herrenzimmern), Burg Seedorf und Hohen-
stein hatten sie zerstört, bald nachher Tuttlingen zweimal mit Sturm ge-
nommen und die Schlegler abgewehrt. Später beteiligten sie sich bei der Zer-
störung der Zollernburg. Dann kamen Dorf und Schloß Bubsheim sowie
Winterlingen an die Reihe. AuS Sulz verjagten sie Hans von Rechberg und
HanS von Geroldseck. Später nahmen sie die württembergifchen Städtchen
bzw. Ortschaften Rosenfeld, Alpirsbach, Schiltach, Schwenningen und belager-
ten Tuttlingen. — Wer Kämpfe führt, der muß auf Gegenschläge gefaßt sein
und sein eigenes Heim gegen feindliche Angriffe sichern. Die Rottweiler haben
das nicht versäumt, haben ihre Stadt trefflich, teilweise sogar doppelt befestigt,
sie mit mehr als einem Dutzend Türmen bewehrt, dem Südtor einen starken
Brückenkopf vorgelegt, und trotz dieses Riesenaufwandes und äußerer Un-
ruhen vermochten sie noch zur selben Zeit drei Kirchen zu bauen. Sie ver-
trauten also nicht nur dem eigenen Arm und Schwert, sondern auch auf Gott,
und beides zusammen war ihnen die Bürgschaft der Sicherheit.

Düster hebt sich von diesem sonnigen historischen Hintergrund die Gegen-
wart ab. Auch wir haben einen Zusammenbruch gleich dem des Staufersturzes
erlebt. Aber das Reich und die Kirche und die Kunst sind uns geblieben.
Darum mit Gottes Hilfe und eigener Kraft aufwärts und vorwärts!

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