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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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2. Heft
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Breucha, August: Der Barock in Oberschwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0062
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O bersch waben sind das schon mehrfach erwähnte Steinhaufen und der Frauen-
berg in Mnnderkingen. Auch in Beziehung auf die Bauanfgabe ist Ehingen
fortschrittlich und reich. Seine Pfarrkirche ist offensichtlich als Volkskirche
gedacht lind gebaut; einen reinen Typ einer volkstümlichen Wallfahrtskirche
hat es in seiner Liebfrauenkirche. In seiner Kollegiumskirche ist eine sehr
seltene, sonst vielleicht nur in Salzburg gestellte Bananfgabe in höchst eigen-
artiger Weise gelöst worden. (Vgl. den Kongregationssaal, Bürgersaal in
München.)

Um über die verschiedenen Ranmarten der ganzen Entwicklung ein Wort
zu sagen, sei hingewiesen auf die zwei großen Grundformen des LanghanS-
baues lind des Zentralbaues, die vielfach miteinander verbunden werden. Das
System des Langhauses wird in Schwaben im Frühbarock in der Künstler-
familie Beer-Thnmb in der Form des nach ihrer Heimat Vorarlberg so be-
nannten Münsterschemas angewendet. Nach diesem Schenra sind die Kirchen
von Schönenberg, Obermarchtal, Friedrichshafen, Weißenau und Weingarten
gebaut. Eine neue Fassung erhält der Langhausbau in Schwaben durch Zwie-
falten (Aufteilung des Raumes in mehrere in sich geschlossene Raumkörper).
In Neresheim sind die beiden Formen Langhaus und Zentralbau aufs voll-
kommenste miteinander verschmolzen. Weingarten bietet ein einzigartiges Bei-
spiel: Kuppel auf hohem Tambour. Stadt und Bezirk Ehingen sind auch in
Beziehung auf die Raumarten auf der Höhe: wir haben den Langhausbau iu
der Stadtpfarrkirche, reinen Zentralbau in Oberdischingen, Kombinierung
von Zentralbau und Langhaus, nämlich Zentralbau mit stärker betonter
Längsachse, in unserer KolleginmSkirche.

Der Barock ist die Baukunst der Gegenreformation. Er bringt ihren
Geist zum sinnlichen Ausdruck. Bauten wie Weingarten, Obermarchtal, Zwie-
falten und Neresheim, oder gar St. Michael in München, wo die eine gewal-
tige Gewölbetonne den weiten Raum überspannt, sind eine Verkörperung der
ungeheuren Sicherheit der objektiven Kirchengemeinschaft, des Dogmas. Ihre
Großräumigkeit ist ein Symbol der weltumspannenden Katholizität, die Fest-
lichkeit der Räume und der Jubel ihrer Ausstattung sind Ausdruck der Freude
am wiedergewonnenen Glauben. Frömmigkeit und weltliche Repräsentation
sind die Beweggründe dieser Bautätigkeit. Bald tritt daö eine oder andere
Motiv in den Vordergrund, bald mischen sie sich und gehen ineinander über.
Obermarchtal mit seiner demütigen Schönheit empfinden wir als eine fromme
Kirche, Zwiefalten als eine repräsentative, aber die Repräsentation ist hier
ins Transzendentale gesteigert, diese sinnverwirrende Pracht steckt voll von
Mystik, freilich von einer exzentrischen, überhitzten Mystik, vergleichbar etwa
St. Nepomuk in München. Die Ehinger Stadtpfarrkirche ist mehr repräsen-
tativer Art, hinter unserer Liebfrauenkirche steht schlichte Frömmigkeit als
Baugesinnung.

Wesen und Formen der barocken Frömmigkeit, die Mystik des 18. Jahr-
hunderts sind noch ziemlich unerforschte Gebiete. Ihre Erschließung würde
auch der Kuustgeschichte wertvolle Dienste leisten. Die Mystik der Decke der
Ehinger Kollegiumskirche z. B. ist vor meiner Schrift über dieselbe von nie-

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