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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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2. Heft
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Breucha, August: Der Barock in Oberschwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0063
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wand erforscht worden. (Vgl. Breucha, Die Kollegiumskirche zu E., 1^17.)
Daß sie die erste deutsche Herz-Iesu-Kirche war, daß der Herz-Iesu-Kult schon
in jener Zeit auf deutschem Boden eine solche Blüte erfuhr, war bis dahin
nicht bekannt und war selbst für Kenner wie die IesuitenpatreS Braun und
Richstätter eine Überraschung. Wenn wir in der Hehleschen Broschüre „Zwei
große Äbte von Zwiefalten" lesen, daß bei der Predigt des Abtes Beda zu
ihrer Einweihung kein Auge trocken geblieben sei, so haben wir darin eine uns
rationalisierten Menschen des 20. Jahrhunderts fast unbegreifliche Äußerung
barocker Frömmigkeit und barocker Psyche. Ich glaube nicht, daß in den letzten
hundert Jahren in dieser Kirche jemals so herzerweichend gepredigt worden ist,
daß alle Augen sich mit Tränen füllten. Ebenso lasten uns die Berichte über
die Wallfahrt in der hiesigen Liebfrauenkirche, die wir auf der dort angebrach-
ten Wandtafel lesen, die Verschiedenheit barocker Frömmigkeit von derjenigen
deS 19. und 20. Jahrhunderts ahnen.

Merkmale barocker Bauweise sind die Großräumigkeit (die ;. B. in der
Ehinger Stadtpfarrkirche fast bis zum Übermaß gesteigert ist), die Freude am
munteren Spiel des Lichtes auf weißen Wänden, das in großen Strömen
durch die Hellen Fenster einfällt und die weiten Hallen durchflutet, endlich
Festlichkeit, „Ansehen, Magnifizenz und Majestät". Einen Abglanz der
himmlischen Herrlichkeit zu schaffen ist das Ziel der kühnen Phantasie der
Baumeister und der Dekorateure.

Nun wäre noch ein Wort über die letzteren, die Stukkateure, Bildhauer,
Maler, Kistler und Schlosser zu sagen, allein bei der Überfülle deö Materials
und der Unzahl der Meister kann ich nicht versuchen, auch die Entwicklung der
Dekorationskunst oder auch nur der hauptsächlich von den Weffobrunnern ge-
lieferten Stukkatur in den Hauptzügen darzulegen und die Namen der
Meister oder wenigstens der führenden Persönlichkeiten zu nennen. Die Ta-
lente schossen empor wie die Spargel nach dem Frühlingsregen. Der große
Zug der Zeit riß einfache Handwerksmeister zu schöpferischer Tätigkeit empor:
ein einfacher Schreinermeister Christian ans Riedlingen hat mit überqnellcn-
der Phantasie das kunstvolle Chorgestühl in Zwiefalten und Wiblingen, ein
schlichter Klosterbruder namens Speisegger hat das die Leistungsfähigkeit des
Materials fast übersteigende phantastische Rankenwerk lind die Unzahl der
reizvollen Figuren des Chorgestühls im Kapitelsaal von Obermarchtal ge-
schaffen. Schwäbische Dorfmaler, wie Wanncnnlacher aus Tomerdingen, En-
derle von Söflingen haben großartige Deckenfresken geschaffen. Gerade in
der Ausstattung liegt die Volkstümlichkeit dieser Kirche. In ihr ganz beson-
ders spürst du den Herzschlag des oberschwäbischen Volkes. Von unvergleich-
licher Volkstümlichkeit ist beispielsweise die Ausstattung unserer Ehinger
Liebfrauenkirche.

Das war die Kultur des 18. Jahrhunderts, das war der Geist der Glanz-
zeit unserer oberschwäbischen Heimat, der Blütezeit vieler Städte lind Bezirke
unseres Landes. Diese reiche und blühende Kultur ist durch die große politische
Umwälzung an der Wende des 18. lind 19. Jahrhunderts, ist durch die Säku-
larisation mit einem Schlage brutal vernichtet worden. All diese kleinen

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