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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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3. Heft
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Nicolai: Aus dem Leben des Malers Phillipp Veit: eine Erinnerung zu seinem 50. Todestag aus unveröffentlichten Originalbriefen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0091
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derbringlich viel verliert, wenn ein solcher Künstler dagegen seine Mitwirkung
ihm entzieht - daS steht wohl fest. Daß Veit recht gethan, darüber herrscht
auch hier nur eine Stimme, und alle meine Bekannten, die auS der Zeitung
die Sache erfahren, und weder die Administratoren noch Veit kennen, haben
dasselbe Gefühl. So kann's ihm also auch in den Augen der Leute (und daS sind
gewöhnlich nicht schöne blaue, sondern recht häßliche triefende) nicht schaden,
daß er daS Rechte ohne Rücksichten gethan, und daß er die Künstlerehre höher
geachtet als zehntausend Klatschereien. Aber wir alle und daS Land — um
uns thut es mir weh, denn daß wir endlich dabei zu kurz kommen werden, das
glaube ich doch. Daß Veit Deutschland endlich verlaffen wird, fürchte ich.
Daß er aber, auch wenn er bleibt, einen schlimmen Zug unserer Landsleute
aus eigener Erfahrung aufzählen kann, den sie zu aller Zeit, an allen hervor-
ragenden Geistern ausgeübt, über den sie jetzt selber in allen ihren Schriften
und Journalen spotten und den sie darum nicht ein Haar weniger grell bei
jeder Gelegenheit hervortreten lasten; daß er sich allein auf sein Bewußtsein
stützen muß, statt auch auf die Dankbarkeit seiner Landsleute — daS war, wie
gesagt, zu allen Zeiten so, aber eS ist traurig, wenn man ein neues Beispiel
davon vor seinen Augen Vorgehen sieht und nichts dazu sagen kann als: „Wir
verlieren alle."

Sie schreiben —, daß Veit ein Atelier in der Stadt suche und nicht nach
Italien wolle; wenn es dabei nur bleibt! Ich hörte gestern, man habe Lessing
die Stelle angeboten, und auch das wäre mir wieder für beide Teile leid.
Denn die Stelle paßt ebensowenig für Lessing wie der für sie, und ich würde
es für ihn und feine Bilder als ein wahres Unglück anseben, wenn er Direk-
tor in Frankfurt würde. Eben weil ich ihn und seine Bilder lieb habe, weil
ich weiß, daß er in seinem Sinne abgeschloffen bleiben muß und nicht anders
nach außen hin wirken kann und soll als eben nur durch Arbeiten. Was dar-
an auch zu tadeln sein mag, eS ist seine Eigentümlichkeit und steht auf festen
Füßen; sogar seine anscheinende Trockenheit, sogar seine Gleichgültigkeit gegen
alte, herrliche Bilder, alles nehme ich bei i b m in Schutz, denn ich weiß, daß
es mit edlem Willen und von innen heraus geschieht. Aber will das auf andere
übergehen, sich sonst noch verbreiten und Wurzel fasten statt eben eine zufäl-
lige Individualität eines einzelnen Künstlers zu sein, so glaube ich, daß nichts
daraus entstehen kann als allseitiger Schaden, allseitige Mißverständnisse,
und daß Lessing daS Opfer derer fein wird, die jetzt eine Begeisterung für ihn
zu fühlen glauben, während sie vielleicht im Grunde nichts anderes als Wider-
willen gegen eine verschiedene Richtung, als Parteinehmen usw. empfinden.
— Habe ich doch ganz dasselbe Stück vor zehn Jahren in Berlin spielen
sehen, dasselbe Ende vorausgesagt. Damals that Lessing das Rechte, malte
weiter und machte sich mit dem ganzen Wesen nichts zu schaffen, gebe Gott,
daß er es diesmal auch thut. Sein Nutzen wäre es bestimmt.

Was Souchay bei der ganzen Sache für einen Theil genommen hat,
möchte ich wohl wissen. Hoffentlich ist er durch seine Abwesenheit ihr ganz
fremd geblieben. Aber jetzt möchte ich mal auf acht Tage in Frankfurt sein,
um das unendliche Gerede hin und her, für und wider, mitauzuhören; oder

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