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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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3. Heft
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Höhn, Heinrich: Dürers Kunst und die Natur, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0093
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(Schluß)

Dürers Kunst und die jllstur

Von Dr. Heinrich Höhn, Nürnberg.

In Nürnberg faßte der neue Realismus ebenfalls Fuß und trat in den
Tafelbildern des Meisters deö Tucheraltares und des Kreises um Wohlgemut
und Pleidenwurff entschieden hervor. Als geborener Franke und Sohn einer
fränkischen Mutter brachte Dürer von HauS aus einen wachen und klaren
Sinn für die lebendige Wirklichkeit mit. Und so wirkten die von den Italie-
nern hervorgerufene Umgestaltung des Weltbildes, Einfluß der realistischen
Kunst seiner Lehrer und der einheimischen Kunstgenosten und natürliche An-
lage in ihm mit unwiderstehlicher Macht zusammen, daß er schon sehr früh
und zwar bereits als Dreizehnjähriger, wie sein charakteristisches Silberstift-
Selbstbildnis von 14-84 in der Albertina zu Wien beweist, mit allen Sinnen
dahin verlangte, der Natur als Künstler so recht rein und ganz habhaft zu
werden. Wir können uns das Naturverlangen des jugendlichen Dürer kaum
elementar genug vorstellen. In so manchem frischen Blättchen, die u. a. Lands-
knechte, Reiterkavalkaden, ein Frauenbad und Landschaftliches wiedergeben,
wirkt es unbefangen sich aus, und selbst die der Wirklichkeit wie mit Ädler-
fittichen enthobenen Gestalten und Vorgänge, welche seine leidenschaftlichen
Holzschnitte zur Offenbarung Johannis erfüllen, lasten erkennen, daß ihnen
Urbilder aus der Natur zugrunde liegen. Auch erscheinen ja dieHimmelsgestchte
dieser Holzschnittfolge häufig genug über wogenden, hellen Landschaften, sind
aus der Welt- und Wanderfreude des jungen Dürer, der, als seine Lehrzeit
bei Wohlgemut ihren Abschluß erreicht hatte, nach dem Brauch der Zeit eine
gute Weile — 4 Jahre — von daheim abwesend und auf der Wanderschaft
war, gleichsam herausgeboren.

Die Landschaften Dürers vermögen das moderne Auge wohl über-
haupt am unmittelbarsten darüber zu belehren, wie tief und stark seine Na-
turliebe war. DaS gilt mehr noch als von den reichen landschaftlichen Grün-
den, mit denen er Holzschnitte, Stiche und auch Gemälde zu beleben und zu
schmücken pflegte, von gewissen landschaftlichen Blättern, die er rein aus
Naturfreude und ohne die Absicht, sie für irgendwelche Bilddrücke und Ge-
mälde auszuwerten, im Freien mit Stift und Pinsel gemacht hat. Sie ent-
standen wohl meist auf den Wegen, die ihn zweimal — 1495 oder 1497 und
1506 — nach Italien führten, und nicht lange nach dem zweiten italienischen
Aufenthalt in der mittelfränkischen Heimat. Ansichten von Innsbruck, von
Arco und Trient und eines Tiroler Taleinblickes sing er in zeichnerischer oder
in tonig malender Behandlung mit großer Treue an südlichen Wanderwegen
auf, daheim aber lockten ihn u. a. der malerische Anblick Nürnbergs von We-
sten her, die Großweidenmühle, eine Drahtziehmühle in der Gegend von St.
Jobst, die Dörfer Heroldsberg und Kalchreuth nördlich der Stadt und etwa
ein Weiherhäuschen am spiegelnden Fluß und ein Sonnenaufgang im ein-
samen Fichtenwald zu besonder», meist mit Pinsel und Farbe durchgeführten
Studien. Wie ruhig-sicher hat Dürer da der Natur in das große, unendlich
wandlungsreiche Antlitz gesehen! Und er hat seine mit Aquarell und Deck-

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