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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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3. Heft
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Höhn, Heinrich: Dürers Kunst und die Natur, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0094
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färbe gemalten Landschaften fo farbig, so tonschön und mit so feiner Beobach-
tung von Luft und Licht gearbeitet, daß sie, etwa die Genfer See-Landschaft
ausgenommen, die Konrad Witz seinem Fischzug Petri beigab, alles hinter sich
lasten, was feine Vorgänger in Nürnberg und anderwärts in Deutschland
auf diesem Gebiet geleistet hatten. Er geht auch insofern über sie hinaus, als
er, ähnlich dem Regensburger Altdorfer und seinem Schüler Wolf Huber, die
Landschaft an sich der Darstellung für würdig erachtet und sie nicht nur als
Beispiel gelten läßt. Ja, oft rührt er in malerischer Beziehung schon an
Bestrebungen, die in der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts erst all-
gemein wurden und Erfüllung fanden. Eine allumfaffende kosmische
Empfindung waltet in den besten dieser Dürerschen Landschaftsstudien, sie
bleiben aber unberührt von persönlich-lyrischen Stimmungselementen. Umso-
mehr bezaubern sie durch die Heimatliebe, die verhalten in ihnen mit-
schwingt, und die morgendlich-frische Entdeckerfreude, die ihr erster und haupt-
sächlicher Anlaß war. — Dürer hat sich nun, wie schon die Maler vor ihm,
auch der Tier und Pflanzenwelt mit forschender und liebender Luft zugeneigt.
Ein Rasenstück, eine Akeleistaude, ein Schöllkraut etwa, der heimische Feld-
hase, der Hirschkäfer, der Rehbock, das Pferd und manches andere Tier bis zum
Walroß, Rhinoceros und Löwen kommen auf sorglich behandelten Studien-
blättern von ihm vor. Die Blumen atmen, so sachlich sie gemacht sind, die zarte
Anmut ihrer vielgegliederten Erscheinung, die Tiere das Leben, das, im Gegen-
satz zum menschlichen Sein, noch ganz an den Instinkt gebunden bleibt. Von
den Tierstudien, die er machte, müssen ebenso wie von den Landschaftsstudien
seinen Hand, so manche mehr noch existiert haben, als heute vorhanden sind:
so z. B. für die Tiere auf den Stichen mit dem Sündenfall (B. I) von
1504, dem großen Pferd (B. 97 von 1506 und dem St. Georg (B. 54) von
1508. Kein Hälmchen und kein noch so unscheinbares Geschöpf scheint ihm un-
wesentlich. Als schöpferischer Mensch im neuen allumfassenden Sinn wollte
er für seine Kunst das Universum, und er war kraft seines Genies auch
fähig, es ganz zu erfühlen und zu durchdringen und seiner Kunst zu ge-
winnen.

Freilich blieb ihn: nächst Gott und seiner Passion auf Erden und nächst
Maria, der großen Mutter, immer der Mens ch unter allen Wesen das
Hauptziel der Darstellung. Das mußte so sein, denn das Zeitalter der Re-
naissance hatte für die Kunst allgemein dieses Ziel: den der Gewänder ledigen
Körper nachzubilden war damals geradezu das zentrale Problem der künst-
lerischen Bemühung. Und da niemals noch vor ihm in Deutschland der un-
bekleidete Leib des Menschen wirklich organisch und in der ganzen Bewegungs-
fülle geschildert worden war, machte er sich setzt daran, hier der heimischen
Kunst neue Grundlagen und neue Erkenntnis zu verschaffen und wie Pro-
,netheuS gottgleich Menschenwesen zu bilden, denen inan Leben und persön-
lichen Willen glauben konnte. WaS die Gotiker an Schilderungen des nackten
Menschenleibes gegeben hatten, wenn sie Adam und Eva oder Christus als
Schmerzensmann, als Crucifixus und nach der Kreuzabnahme, oder den
heiligen Sebastian, in Holzschnitten, Gemälden und Plastiken vorführten,

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