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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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3. Heft
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Höhn, Heinrich: Dürers Kunst und die Natur, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0099
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Umso schöner glückte ihm (1526) die Verschmelzung von Natureindruck
und geistiger Konzeption in den beiden großen Tafeln, die die vier Evangeli-
sten monumental verherrlichen (München, alte Pinakothek). In den geiftbe-
lebten Köpfen und der Formung der Mäntel erlebt die Idee einen hohen
Triumph, aber zugleich offenbart sich in der persönlichen Bildung der Ange-
sichter, im festen Aufruhen der Füße auf dem mütterlichen Erdboden und im
entschiedenen Griff der Hände die atmende Wirklichkeit der Natur. DaS
Studium eines Altares des Bellini in der Frarikirche zu Venedig, die Gestal-
ten des HelleraltareS und einige Stiche mit Apoftelfiguren bereiteten vor,
was hier an abgeklärter Lebensgestaltung machtvoll dargebracht wurde.

Dürer suchte und gewann sich zuletzt das typische Bild der menschlichen
Erscheinung. Die große Synthese von Natur und stilisierter, geisterfüllter
Form gelang ihm nach dem harten Ringen, das ein ganzes arbeitsreiches
Leben hindurch währte, am Ende seiner Tage. So sind die Evangelistenbilder,
die er als ein ernstes Vermächtnis religiöser und künstlerischer Art seiner
Vaterstadt schenkte, Gipfel und Monument seines gesamten Schaffens.

Derselbe Mann aber, der die Natur so gewaltig gesteigert und geläutert
zu geradezu denkmalhafter innerer Größe zu vergeistigen vermochte, schuf
gegen Ende seines Lebens auch seine bedeutendsten Bildnisse, Bildnisse,
die persönliches Wesen in scharfer Abgrenzung und unvergleichlich deutlicher
Ausprägung darstellen. Es ist vor ihm z. B. vom Meister des TucheraltareS
und während seiner Jugend schon manches gute Bildnis geschaffen worden.
Allein er erst weiß eine Persönlichkeit wirklich auszuschöpfen und gleichsam für
Rede und Antwort beredt zu machen. Es würde viel zu weit führen, hier
seinen Aufstieg als Bildnismaler und Bildniszeichner zu schildern und seine
der italienischen Bildnisauffassung entgegengesetzte Porträtgestaltung zu er-
läutern. ES muß genügen, darauf hingewiesen zu haben, daß er schon in seinen
jugendlichen Selbstbildnissen, in dem in jungen Jahren gemalten Bildnisse
seines Vaters und in gezeichneten Studien wie den Blättern mit den Köpfen
Pirkheimers (1503) und der breit lachenden Südtiroler Bäuerin (1505) der
Natur das Geheimnis persönlicher menschlicher Art zu entreißen versteht, daß
er aber über diese schönen Leistungen noch hoch hinauswächst. Nachdem Vene-
dig ihm den Farbensinn gekräftigt und die Niederlande, wo er ja viele Per-
sonen seines Verkehrs in zielbewußten Zeichnungen bündig und klar festhielt,
ihm den Blick für das Individuelle noch verfeinert hatten, besitzen feine Por-
trätarbeiten eine so erstaunliche Fülle an Leben und eine so klar und sicher
gefügte Form, daß sie den besten Bildnissen der gesamten Kunst sich vergleichen
dürfen.

DaS sogenannte Imhofbildnis, die Porträts Kaiser Maximilians (die
bewunderungswürdige Zeichnung von 1518 und der Holzschnitt sind ge-
meint!), des Hieronymus Holzschuher und Jakob Muffel, des Kurfürsten
Friedrichs des Weisen, deS Kardinals Albrecht von Brandenburg und Pirk-
heimers brauchen nur genannt zu werden, um die Dargestellten so deutlich
und wahr vor unseren inneren Augen erscheinen zu lassen, als stünden sie auch
unserem nach außen gerichteten Blick leibhaftig gegenüber. Ehrfürchtig fast

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