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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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4. Heft
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Spektator: Von der Stuttgarter Ausstellung im Diözesanjubiläumsjahr: Religiöse Kunst der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0135
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die Bilder ernster, länger und wohl auch kritischer beschaut, als Hunderte von Durchrasern
anderer, größerer Kunstausstellungen. Klerus und Laicnwelt, jung und alt, Schulen und
Vereinigungen zählen unter jenen wenigen Tausenden; welchen Prozentsatz neben aus-
wärtigen reisenden Geistlichen der katholische Klerus des Landes aufzuweiscn hätte, wäre
vielleicht von apologetischem Interesse. Der hochwürdigste Bischof von Rottenburg, Dr. Joh.
Bapt. Sproll, der schon so manches warme Wort zugunsten der kirchlichen Gegenwartskunst
gesprochen und auch Taten folgen ließ, war leider im letzten Augenblick verhindert, die zuge-
sagte E r ö f f n u n g der Ausstellung im Stuttgarter Kunftgebäude am Samstag, 14. Juli,
vorzunehmen, holte aber den Besuch nach. In seinem Namen eröffnete Domkapitular
Aigeltinger die religiöse Kunstschau unter Zusicherung weiter Entfaltungsmöglichkeiten für
neuzeitliche Stile, besonders in der Architektur. Der DiözesankunftvereinSvorftand, Pfarrer
Pfeffer, entwickelte dann in trefflichen, weitherzigen Worten das geschichtliche und gegen-
wärtige Problem: Kirche und Kunst. Zwei Minister (1)r. Bolz und Beyerle), Vertreter
des Kultministeriums, der Stuttgarter katholischen Pfarrgeistlichkeit, der Akademien, der
Museen- und Stadtverwaltung wohnten dem Eröffnungsakt bei.

Bei einem Rückblick auf die verflossene Sommerveranstaltung, die ein Ausblick in die
Zukunft der christlichen Kunst fein sollte, ist es von ästhetischem, psychologischem, aber auch
eminent praktischem Interesse, in dem Wirrwarr der Richtungen modernen Kunstschaffens
und moderner Kunstkritik die Urteile über die Bedeutung der neuesten kirchlichen Kunst-
schau zu vernehmen und aus den verschiedenen Lagern je nach ihrer weltanschaulichen und
künstlerischen Einstellung die Stimmen der Anerkennung oder Ablehnung einzelner Werke
oder ganzer Gruppen zu zählen bzw. zu wägen. Auch auf unserem verhältnismäßig kleine»
Schaffenögebict geht die Stellungnahme zu beiden Fragenkomplexen stark auseinander.
Während die eine ausführliche Besprechung die Architckturabteilung für die beste hält
(„Deutsches Volksblatt" v. 23. Juli, Nr. 167), erklärt eine andere die kirchliche Baukunst
für die schwächste Seite der Ausstellung und rühmt die Vertreter der Malerei zum großen
Teil uneingeschränkt („Schwäb. Merkur"). Letztere Stimme stößt sich auch an der Bezeich-
nung „Religiöse Kunst" und will die ausgestellten Werke lediglich unter der Marke der
engeren kirchlichen, katholischen Kirchenkunst passieren lassen. Nicht mit Unrecht erklärt auch
der schon genannte wohlwollende Kritiker des „Staatsanzeigers für Württemberg" den
Namen der Ausstellung: „Religiöse Kunst der Gegenwart in Württemberg", insofern für
irreführend, als es sich um katholische religiöse Kunst handelt, so daß zum Beispiel der
moderne evangelische Kirchenbau und seine Architektur nicht zum Wort kommen. Sachlich
ist eine solche Beschränkung schon mit Rücksicht auf die vorhandenen Raumverhältnisse nicht
zu beanstanden, nur sollte sie im Interesse mancher Betrachter deutlich ausgesprochen werden.

Ein gewisses künstlerisches Niveau, zumal bei der durch die Jury getroffenen Auslese
aus dem großen Angebot, der Ausscheidung alles in ausgefahrenen Geleisen Gehaltenen und
Forderung einer gewissen Selbständigkeit des Schaffens anerkennen alle Beurteiler, und
einzelne Stuttgarter Hauptblättcr finden cs besonders in dem Ein- und Mitwirken ein-
heimischer Akademielehrer wie Professor Hölzel, Altherr oder Lörcher begründet.

Aus katholischem Lager erfuhr die religiöse Kunftschau des Rottenburger Diözesan-
kunstvereins eine fast ausnahmslos lobende Kritik im Stuttgarter „Deutschen Volksblatt"
(Nr. 167 und 170 v. 23. uyd 26. Juli 1928) wenigstens soweit die Künstler Erwähnung
fanden, und das war die größte Mehrzahl. Dieser bisweilen fast kritiklosen Belobigung
gegenüber fällt die scharfe Ablehnung des Großteils der religiösen Tafelmalerei der Aus-
steller in der „Kölnischen Volkszeitung" (Or. Getzeny) auf, ebenso aber auch die schon
angeführte Bewunderung des einzigen rein expressionistischen Bildes, Bayers „Weihnacht"^).
Uneingeschränktes Lob ernteten allgemein Hans Herkommers monumentale Kirchenbauten
und Entwürfe. Daß bei Beurteilung vieler Einzelschöpfungen in Malerei und Plastik das
Echo selbst aus den verschiedensten Lagern widerspruchsvoll klingt, läßt ans das vielfach
noch Problematische mancher bedeutender Bildhauer und Maler schließen, das bald den

,3) Vgl. jetzt auch die treffliche, wohlwollende Besprechung in dem leider kurzen Artikel von Vikar
E. E n d « r i ch < Heilbronn iu den Mitteil. d. Ver' k. Geistl. 1928, Nr. 16.

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