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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 43.1928

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4. Heft
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Naegele, Anton: Direktor Hans von Kolb zum Gedächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.15946#0140
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ftils, einer nicht lebensfähigen Treibhauspflanze, sich und andere nicht erwär-
men konnte, wer wollte es dem Meister verargen? Heute, da unS von dem
Beginn jener armseligen Übergangszeit zwischen steriler Stilimitation und
neuem GeftaltungSwillen drei bis vier Jahrzehnte trennen, läßt sich eher das
Lebensfähige jener neuen Stilbestrebungen erkennen, der Edelwein im Gären
und Schäumen des wilden Mostes spüren. Vielleicht hätte ohne die dreifache
furchtbare Not des Weltkrieges, der Revolution und Inflation dieser Gä-
rungsprozeß der modernen Kunst wenigstens ein Jahrzehnt früher sich voll-
zogen und eine raschere Bildung des gesunden Kerns und der lebensfähigen
Frucht an der iippig wuchernden Pflanze eingesetzt, wie wir heute in der Ent-
wicklung modernster Architektur noch mehr als in Plastik und Malerei fest-
stellen dürfen.

Unsere auch im Kunstwollen raschlebige Zeit hat jenen ersten, von Kolb
energisch abgelehnten sogenannten „Jugendstil" längst abgelöst, und eine ganze
Reihe von „Ismen" — Expressionismus, Kubismus, Dadaismus — haben
dem ersten illegitimen Sprossen deö Impressionismus im Kunsthandwerklichen
daS frühe Grab gegraben.

Solch künstlerischer, kunftgeschichtlicher Einstellung des Professors und
(feit 1896) Direktors der Stuttgarter Kunftgewerbeschule entsprach auch
Kolbs Kunstpraxis auf dem Gebiet kirchlicher Malerei. Seine Haupt-
ftärke war die dekorative Wandmalerei; zeichnerisch jedenfalls ist sie mit
meisterhafter Sicherheit geübt; die Farbengebung, nach heutigem Maßstab
gemessen, mag, wie bei dem großen Düsseldorfer Meister Peter Cornelius, die
schwächere Seite gewesen sein, vollends in Räumen, die unser nordisches Klima
der Farbe gefährlich macht, doppelt ohne Freskotechnik. Die ersten Kirchen-
bemalungen führte Hans Kolb in Gemeinschaft mit seinem älteren Bruder,
dem bekannten Kirchenmaler Franz Taver Kolb, aus, so in Geislingen, Bar-
tholomä (Oberamt Gmünd) und Bollingen (Oberamt Blaubeuren). Selb-
ständig malte Hans Kolb in den Pfarrkirchen in Sigmaringen, Riedlingen,
Villingendorf, Calw, Liebenzell, Älpirsbach, Ringingen, in der Klosterkirche
zu Untermarchtal. Von seiner Hand stammt das Bild des heiligen Martinuö
an der Friedhofkapelle seiner Vaterstadt Ehingen. Als bedeutsamste Leistung
wird die „malerische Ausschmückung der Stadtpfarrkirche in Friedrichshafen
aus dem Geist der Renaissance" gerühmt, und als letzte Arbeit des Siebzigers
die mit anderen einheimischen Malern in Angriff genommene Restauration
der Heiligkreuzkirche in Rottweil. Aufdeckung und Restaurierung alter Wand-
malereien war überhaupt eine Lieblingsarbeit des damals besten Kenners
mittelalterlicher Formenwelt in Wand- und Glasmalerei. Sein Verdienst
hierin verkünden die Klosterkirche in AlpirSbach, die Pfarrkirche zu Schützin-
gen (Oberamt Maulbronn) und die St. Georgskapelle in Friedrichshafen.

Doch ist mit dieser vielseitigen Tätigkeit in Schule und Kirche, in Be-
ratung und Verwaltung daö Lebenswerk Kolbs nicht erschöpft. Der Professor
und Direktor der Stuttgarter Kunstgewerbeschule widmete sich in rastlosem
Schaffensdrang f ch r i f t st e l l e r i s ch e r T ä t i g k e i t. Im Jahre 1882 gab
er Vorbilder für das Ornamentzeichnen in zwei großen Foliomappen heraus,

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