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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

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Heft 4
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Spectator, A.: "Kirchliche Kunst der Gegenwart" auf der Stuttgarter Ausstellung des evgl. Vereins für christl. Kunst 1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0135

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Hetsch, dem anerkannten Meister in profaner Freskenmalerest dürfte trotz des ziemlich
verschwommenen Charakters mehrerer ausgestellten Skizzen und Entwürfe manch
Gutes auch für kirchliche Monumentalmalerei zu erwarten fein. Sein Paulus von
der Kirche in Ottenbronn, feine apokalyptischen Reiter (für eine Leichenhalle) wirken
durch ihre, klare Komposition und den Ausdruck der Gesichter höchst eindrucksvoll,
ähnlich auch Walter Eberbach-Heilbronn. Der Ludwigsburger Eugen Pfäfflin trifft
bisweilen den schlichten Volkston, der für Legenden eher paßt als etwa für die
Oelbergszene (köstlich naive Landschaft: Engel auf Tannen, deutsches Waldhaus).

ll.

Nach der Zahl der ausgestellten Werke steht die Schau über die Plastik, dazu
viele nur im Entwurf oder Abguß oder gar nur in Abbildung, beträchtlich hinter der
Malerei zurück, nicht aber nach der Qualität. Neben den bekannten älteren Werken
wie Jakob Brüllmanns Reformationsdenkmal an der Hospitalkirche in Stuttgart
sehen wir Ulfort Janssens Kriegergedächtnismal ftir das Ulmer Münster im Modell,
auf dem die Säulenstellung mancherseits störend empfunden wird. Seine nur im
Bild gezeigte Madonna für das Gefallenendenkmal in Hötensleben vereinigt Mensch-
liches und Ueberirdisches. Aus der vorjährigen Ausstellung religiöser Kunst der
Gegenwart kennen wir Namen und Werke von Karl Eisele-Stuttgart, Friedrich
Thuma-Stuttgart, Verena von Heider-Hackh-Stuttgart. Letzterer Tonfiguren sind
auch Heuer wieder der Allegorie gewidmet: Leid, Trost, Glaube, Liebe und Hoffnung,
ansprechende keramische Kleinplastiken in bunter Glasur. Thumas Oelberg, Christus
und die Ehebrecherin zeigt die bekannte Handschrift, in der tiefe Innerlichkeit und
starke Ausdrucksfähigkeit noch mit der Klarheit der Formgebung ringen. E i f e l e s
kreuztragender und auferstandener Christus haben bei aller Hagerkeit der Gestalt
religiöse Ausdruckswerte. Am meisten umstritten ist das im Vorsaal aufgehängte
überlebensgroße Kruzifix von Eugen Schrvab; das Ringen zwischen dem Mut zur
Orginalität und der Anlehnung an romanische Art ist bei dem Bildhauer noch nicht
aus eine einheitliche Lösung gekommen und so bleibt das immerhin ergreifende Werk
eine problematische Schöpfung. „Dieser Christus ist als plastischer Entwurf nicht ohne
Größe des einbeschlossenen Gefühls, aber feine Durchbildung verquickt realistische
Weichheit und strenge Stilelemente in einem verwunderlichen Maß", bekennt ein
Kritiker der vielfach übersehenen Großplastik.7)

Ihm gegenüber wirkt durchaus eindeutig der hl. Chriftophorus von W. Brellochs.
Wie ein Triton mit Muschel modelliert spricht die Büste völlig barock an. Reizvoll
sind seine kleinen Reliefs. Ebenso konventionell gehalten ist Rudolf Dauners (Lud-
wigsburg) Christus am Kreuz, eine strenge Komposition mit herber Kopfgestaltung;
„Zu den Sternen" ist eine ansprechende Allegorie. Die „Betende" von Fritz von
Grävenitz zeigt schönen Rhythmus der Linien, feinen Ausdruck, sprechende Haltung,
die aber dem unteren Teil der fast zu glatten Holzfigur ob der mangelnden unförm-
lichen Ausarbeitung abgeht. Von den drei Reliefs Ernst Pelms aus dem Leben Jesu
verrät besonders die „Auferstehung" eigenartige Auffassung. Ehr. Aeckerlins Kreu-
zigungsgruppe schließt sich an klassizistische Vorbilder in ihrer feinsäuberlichen Durch.-
arbeitung an, macht in ihrer süßlichen Art fast nazarenischen Eindruck. Wer vollends
vor Rudolf Stöckers Johannes (Apostel?) einen Augenblick stehen bleibt, glaubt die
in unserer Schülerzeit gefundene berühmte Bronzefigur von Delphi, den Wagen-
lenker, zu sehen und ist nur durch das Fehlen des in katholischer Kirchenkunst üblichen
Heiligenscheins vor der Verwechslung beider in etwa geschützt. Seine Christusfigur
trägt zu sehr die Züge eines Pastors der Landeskirche von heute. Der vorzüglich
ausgearbeitete Johannes der Täufer in Bronze von Daniel Stöcker erinnert mehr
an einen Athleten als einen Afzeten, wie ihn das Evangelium ohne Zweifel darstellt.
Martin Scheibles Lutherkopf von der großen Figur vor der Ulmer Weststadtkirche ist

7) Süddeutsche Zeitung 23. Juli 1929 Nr. 339.

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