Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Spectator, A.: "Kirchliche Kunst der Gegenwart" auf der Stuttgarter Ausstellung des evgl. Vereins für christl. Kunst 1929
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0138

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
trotz traditioneller Kunstpflege im Schoß der „Schwesterkirche" ein nicht pharisäischer
Seitenblick aus alte, neue und neueste Mißgriffe oder Unterlassungen seitens unseres
Klerus zu ähnlicher Klage, wenn auch wohl nicht in demselben Umfang berechtigte.

Hat ein sonst wohlwollender Kritiker der vorjährigen katholischen Kirchenkunst-
schau, ich meine, es war im Stantsanzeiger um Mitte Juli 1928, sich an dem Titel:
„Religiöse Kunst der Gegenwart in Württemberg" sich stoßen zu
müssen geglaubt, da es sich doch nur um katholische religöse Kunst handle ohne
Rücksicht aus evangelischen Kirchenbau, so hat man diesmal aus evangelischer Seite
nicht nur an der engeren Fassung der Bezeichnung: „Kirchliche Kunst der Gegenwart
in Württemberg.. durch den Verein für christliche Kunst in der evangelischen Kirche
Württembergs" Anstoß genommen; stehe ja ein gut Teil der ausgestellten Werke
nur in losester Beziehung zur Kirchenkunst, sei mit mehr oder weniger künstlerischem
Erfolg Gestaltung biblischer Motive ohne Ausdruck religösen Erlebens, oft in rein
äußerliche Berührung mit Religion oder Kirche (Stuttgarter Tagblntt und Schwäb.
Merkur); auch entbehren viele, wenn nicht die meisten Arbeiten des spezifisch prote-
stantischen Grundgefühls, Steinhaufen sei so ziemlich der einzige, bei dem man
spezifisch protestantisches Wesen im künstlerischen '-Ausdruck erfahren kann/ff So
gewiß der Meister edelster christlicher Volkskunst eine solche Ehrung durch Aus-
stellung vieler Gemälde und Handzeichnungen in einem eigenen Raum verdient hat,
so gehört Wilhelm Steinhaufen doch zu den Toten und sodann hat sein Leben und
Schaffen keine eigentlichen Beziehungen zu Württemberg. Und wenn schon der
Rahmen durch Aufnahme außerwürttembergischer Künstler protestantischen Bekennt-
nisses in Kunst und Leben gesprengt war, warum hat man dann, fragten manche
Kritiker in öffentlichen Blättern mit Recht, neben dem Düsseldorfer Friedrich Schüz
nicht auch einen Rudolf Schäfer ausgenommen oder von den toten Vertretern eines
künstlerischen Protestantismus etwa Eduard von Gebhardt oder Fritz von Uhde?
Mit Recht vermißt man den kürzlich zum Professor ernannten Bildhauer Wilhelm
Fehrle, Fachlehrer an der höheren Fachschule für Edelmetallkunst in Gmünd, der
für evangelische wie katholische Kirchen in Stadt und Land in- und außerhalb Würt-
tembergs bedeutsame Statuen und Reliefs in origineller Technik geschaffen hat, oder
kunstgewerbliche Arbeiten für kirchliche Gebrauchszwecke aus dieser und manch
anderer Schule des Landes. Vor allem auch fehlen Arbeiten von Professoren der
Stuttgarter Kunstschulen wie Altherr (der Sohn eines Schweizer Pastors), Hölzel,
Pankok u. n., die gewiß auch an religiösen, wenn nicht im engeren Sinn kirchlichen
Schöpfungen sich bewährt haben. Haben doch manche ihrer Schüler auf der letzt-
jährigen Ausstellung katholischer Kirchenkunst beachtenswerte oder doch problematische
Arbeiten auf dem Gebiet der Malerei gezeigt. Fehlte es an der Einladung oder an
den Eingeladenen? Wenn der Verfasser des Stuttgarter Briefs für auswärtige
demokratische Zeitungen") Recht hat, so kommt das „Fehlen erster Namen" daher,
„teils weil sie sich der Jury des Kunstvereins, die leider hier herrschen durste, nicht
unterwerfen wollten, teils weil sie gar nicht eingeladen waren. So konnte auch kein
Verkauf gemacht werden, da kein Werk wirklich überragend ist."

Ein weiterer Umstand, der zum Vergleich der beiden Ausstellungen christlicher
Kunst 1928 und 1929 herausfordert, ist der auffallende Unterschied in der
Qualität. Bei dem etwas! eng gezogenen oder eng beschickten Rahmen der Aus-
steller erwartete man umso eher ein besonderes Niveau. Die Qualität der Arbeiten,
die religiöse oder im engeren Sinn nur biblisch-erzählende Stoffe behandeln, ist nicht
nur recht unterschiedlich, sie ist im ganzen genommen recht wenig hoch. Von dem
starken Ringen um neue Formen und Ideen, neue Anwendung neuzeitlicher Aüs-
drucksmittel auf religiös-kirchliche Gebiete, deren Fruchtbarkeit die vorjährige Aus-

") Stuttgarter Neues Tagblatt Nr. 366.

") z. B. Gmünder Zeitung vom 10. August 1929.

126
 
Annotationen