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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 44.1929

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Heft 4
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.15947#0149
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unserem Geistesauge wieder auf. Ge-
stalten wie Maximilian der letzte Ritter,
Kaiser Karl V., Luther, Götz von Ber-
lichingen, Bayard, Karl von Bourbon,
Pescara, Franz I. von Frankreich, viele
andere Männer von Namen und Wert
kreuzen den Weg des Vaters der Lands-
knechte. Auch Gelehrte wie Altensteig
im Städtchen am Fuß der Heimatburg
Mindelheim oder Fabri von Leutkirch,
Generalvikar in Konstanz, für und wider
Luther kämpfende Zeitgenossen greifen
in sein Schicksal ein. Auch Kunst und
Künstler kommen zu ihrem Recht in fast
chroniktreuer Schilderung des altdeut-
schen Städtchens an der Mindel und des
Strigel-Altars in der Gruftkapelle der
Rechberg-Frundsberg, St. Anna zu Min-
delheim. Kein Leser wird wie bei so
vielen ungeschichtlichen „Geschichtsroma-
nen" enttäuscht werden, vielmehr Mil-
lers Wort bestätigt finden: „Jörg

Frundsbergs Wesen gleicht einem guten
Brunnen, aus dem ein herbes klares
Wasser fließt. Das könnte uns Heutigen
in unseren Lasten und Mühsalen und
Betvübnissen bis in die Seele hinein gut-
tun. Darum lasset euch einen Becher da-
von reichen!"

Schardt P. W. Donarburg. Eine roman-
tische Dichtung. 8°. 216 S. 1929,
München, Verlag der Münchener-
Drucke, geb. Mk. 6.—.

Ein würdiger Nachfahre des Dreizehn-
lindensängers F. W. Weber greift mit
liederfrohem Herzen und saitenkundiger
Hand in die Leier, die beinahe einer-
ganzen Generation deutscher Dichter ent-
fallen zu sein schien. Die Ueberflutung
aller Länder mit den sog. Prosa-Epen,
meist mehr oder minder seichter Ro-
manliteratur hat Dichtern die Schöpfer-
kraft zum großen Epos wie den Lesern
die Aufnahmefähigkeit fiir die grandio-
seste und älteste Dichtungsart geraubt.
Und doch, die blaue Blume der Romantik,
wenn auch bisweilen welk geworden,
blüht immer wieder auf und da und dort
in deutschen Landen stimmt eine Lerche
oder Nachtigall dem Uhu zum Trotz in
wärmeren Tagen ihren Sang an zum
Preise deutscher Vergangenheit, zur Ver-

herrlichung des unvergänglichen Erbguts
vor den natur- und gottentfremdeten Ge-
schlechtern der Gegenwart. Alle Vorzüge
des unübertroffenen westfälischen Epos
eignen dem Sang vom Westerwald, den
ein moderner Uermunnns Oontruetus
zum Lobpreis einer Heimatburg und
deren Ritterschaft anstimmt. Wie merk-
würdig! Der dies Epos mit seinen
romangleich spannenden 16 Gesängen
von dem Bürgermeisterstöchterlein Hilde-
gard und seinem edlen Buhlen Rit-
ter Rupert von Ellar im Niederlahngau
gesungen, ist ein deutsch-amerikanischer
Pfarrer, der wegen gänzlicher Lähmung
in Meran — dort habe ich schon vor 10
Jahren das Manuskript der Dichtung
mitgelesen — und jetzt in Wörishofen im
Fahrstuhl lebt, schreibt, zelebriert und
schläft, der Bruder des bekannten Ber-
liner Kunsthistorikers und Museums-
kustos Dr. I. Schardt, Peter Wilhelm
Schardt. Wie stark muß der Brunnquell
echter Dichtkunst sein, der sich durch solch
spitzig Felsgestein nach oben ans Licht
der Deffentlichkeit ringt und wagt! Ge-
schichte und Legende, Natur und Kunst,
Leben und Lieben, Kampf und Sieg,
Leidenschaft und Tugend sind auf dem
köstlichen landschaftlichen Hintergrund
der Westerwaldsage in meisterhafter, far-
benprächtiger Sprache geschildert, die bei
allen Anklängen an Rhythmus und
Reim, an Aufbau und Ausbau von
„Dreizehnlinden" doch selbständiger
Schöpferkraft nicht entbehrt. Aus per-
sönlichen und sachlichen Gründen sei auch
an dieser Stelle das von der Officina
Salesiana in der Lutherfraktur auf
Daunenpapier gedruckte Werk unseren
Lesern warm empfohlen, wärmer als
Hunderte und Tausende nur ein ein-
zigesmal gelesener und lesbarer sog.
Prosa-Epen. Es paßt so recht des Dich-
ters eigenes Wort am Schluß des ersten
Gesangs auf das neueste Epos der deut-
schen Literatur:

Ein schlichter Sang, nur eine Sage,

Kein schmelzend Lied der Nachtigallen,

Doch auch der Sang der Heidelerche

Wird manchem Wanderer Wohlgefallen.

A. N.

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