Allgemeine theologische Bibliothek (2.1774)

Sulzers vermischte phil. Schriften. 205
hat, und der Grund warum er sie bey der Schö-
pfung gerade in diese und in keine andre Lage setzte,
hieng nicht von seinem Willkühr ab — „so kommt
uns der neue Zweifel entgegen: „ es giebt ja doch
noch geringere Arten der endlichen Geister, nämlich
die Thierseclen, und unter denen wieder die ver-
schiedene Stufen der thierischen Vollkommenheit, so
wie ich mir imGcgcntheilauch edlere Arten der Gei-
ster denken kann, die über den Menschen eben so
hoch erhaben sind, so tief die Thiere unter ihm er-
niedrigt sind. War nun Gott gleich genöthigt, uns
zu endlichen Geistern z.E. zu solchen zu machen, die
nicht gleich mit dem Anfänge ihres Daseyns das sind
und seyn können was sie werden sollen, so war ec
doch auch nicht genöthigt uns gerade auf diese Stufe
zu setzen auf der der Mensch sich befindet, und auf
welcher er sich in einer so gefährlichen Lage erblicken
muß.,, Bey diesem Gedanken fiel uns die Hypothese
von der Seelenwanderung — so warm aufs Herz,
daß wir uns nicht enthalten konnten ihr einige Au-
genblicke nachzuhängcn, und uns an ihr zu ergötzen.
„Wie, dachten wir, wenn der endliche Geist sich
bey dem Anfänge feines Daseyns auf der untersten
Stufe befinden müßte? Wie wenn ich mir vor-
stellte, daß alle Menschenseelen schon einmal die
untersten Stufen durchwandert hätten — einige
schneller, einige langsamer? so daß die trägem und
langsamem (man schließe weder Freyheir noch
Mechanismus von diesem Zaudern aus; es wirket
bcydee zusammen;) einige Stuffen mehr zu pas-
siren — und zuletzt noch die beschwerlichste Wan-
derung durch einen Höllenkörper zu thun hätten? —
so daß am Ende alle Seelen — alle, vom Hotten-
totten bis zum Seraph — einige spater, einige lang-
samer