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H. Scha äff hausen:

zu verschaffen im Stande ist. Vor 50 Jahren schrieb Prichard1):
„Ueber die Form des Kopfes bei den alten Deutschen haben uns die
klassischen Schriftsteller keine Beobachtung- hinterlassen. Man könnte
hierüber durch die Ueberreste in alten Gräbern Ausschluss erhalten,
allein ich weiss nicht, ob ein derartiger Versuch in umfassender
Weise gemacht worden ist. Die jetzigen Deutschen haben bekannt-
lich grosse Köpfe, an denen der vordere Theil des Schädels er-
haben und vollkommen entwickelt ist. Sie haben diese Eigenthüm-
lichkeit der Form in einem höheren Grade, als die Franzosen oder
Engländer." Heute ist eine kaum übersehbare Menge von Grab-
schädeln des keltischen und germanischen Alterthums gemessen und
beschrieben, aus der wir die Verwandtschaft dieser Volksstämme
zu erkennen vermögen und die Unterschiede, welche verschiedenes
Klima und ein verschiedener Grad der Bildung ihnen aufgeprägt
hat oder auch die Vermischung mit andern Schädelformen, wie sie
uns im Ungarn oder im Finnen entgegen tritt. Die Kraniologie hat
eine allen keltischen Stämmen zukommende Schädelbildung nicht
nachweisen können. Ganz hoffnungslos ist diese Aussicht für die-
jenigen Forscher, welche glauben, dass von Klima und Kulturstufe
ganz unbeeinflusst der Schädel durch unveränderliche Merkmale
seinen Rassentypus bewähren soll und dieser nur durch Vermischung
mit andern sich ändern könne. Wie irrig diese Ansicht ist, zeigt
uns der Typus germanischer Reihengräber vom 4. bis 6. Jahrh. un-
serer Zeitrechnung, der als eine Stammesbildung in der heutigen
Bevölkerung Deutschlands nicht mehr vorkommt. Wo sich das blonde
Haar und das blaue Auge der Germanen erhalten hat, kann nicht
von Vermischung der dolichocephalen mit brachycephalen Elementen
die Rede sein, da kann nur der Einfluss der Kultur auf die zu-
nehmende Breite des Schädels, die zur Brachycephalie neigende Meso-
cephalie als die heute unter den Deutschen vorherrschende Form
hervorgebracht haben. Auf die Frage, waren die Kelten dolicho-
cephal oder brachycephal, ist die Antwort, dass wir den Kelten
beide Schädelformen zuschreiben müssen. Im Beginne unserer Zeit-
rechnung waren die zu beiden Seiten des Rheines wohnenden Gal-
lier und Germanen unzweifelhaft, wie die Grabfunde lehren, vor-
herrschend dolichocephal, in Süddeutschland, wo keltische Stämme
schon früher lebten und bleibenden Wohnsitz hatten, herrscht, wie

1) a. a. 0. III, 1, S. 443.
 
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