Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94

H. Sehaaffhausen:

annehmen, dass Klima und Lebensweise aus dolichocephalen Ger-
manen bracliycepliale Finnen gemacht haben, weil diese Schädel
in ein hohes Alter zurückreichen. Aber jede typische Form muss
eine Ursache haben und man kann die Möglichkeit nicht leugnen,
dass die Chamaecephalie, wo sie so weit verbreitet ist wie im alten
Friesland und dem nordwestlichen Deutschland, klimatisch bedingt
war1). Während von Baer und Pruner schon in dem Neander-
thaler einen celtischen Typus erkennen wollten, ist die Chamae-
cephalie in Süddeutschland so selten, dass sie den hier wohnenden
celtischen Stämmen nicht zugeschrieben werden kann. V i r c h o w
glaubt schliesslich, dass nicht alle Germanen von Anfang an die-
selbe Schädelform besessen hätten, sondern dass schon im Stamm-
lande dieselbe verschieden war, wie ja auch bracliycepliale Slaven
und dolichocephale Germanen eine gemeinsame Abstammung hatten.
Er rechnet die Friesen zu den Ingaevonen des Tacitus, zu denen
auch die Cimbern, Teutonen und Chauken gehörten, während die
Hermionen das mittlere Deutschland bewohnten und noch Jahrhun-
derte lang wanderten, während jene ihre festen Sitze inne hielten. Er
möchte als Reste der Hermionen die Reihengräberschädel betrachten.
Wenn auch Virchow den Begriff der Chamaecephalie zu weit ge-
fasst hat und sie solchen Schädeln zuschreibt, die für das Auge
durchaus nicht niedrig erscheinen, so hat er doch durch seine Unter-
suchung den Beweis der grossen Verbreitung dieser Schädelform
bei den alten Friesen erbracht. Dieselbe wird aber wohl richtiger
nur als eine Abart des germanischen Typus zu betrachten sein, die
unter örtlichen Einflüssen sich entwickelt, vielleicht auch einen ur-
alten vorgermanischen Typus festgehalten hat, der mit geringer Hirn-
entwieklung zusammenhing. Die dolichocephale germanische Schä-
delform der Reihengräber und der altern Hügelgräber hat eine viel
allgemeinere und durch ganz Deutschland, Skandinavien und Frank-
reich gehende Verbreitung. Wie die letztere unter den Deutschen
heute nicht mehr gefunden wird, so ist auch der niedrige Schädel
unter den heutigen Friesen fast verschwunden. Manche wollen ihn
in den Bildern der altera niederländischen Maler noch wiederer-
kennen. H. von Holder2) gründet seine Untersuchung auf 962

1) Vgl. Schaafhausen, Der Neanderthaler-Fund, Bonn 1888, S. 33.

2) Zusammenstellung der in Würtemberg vorkommenden Schädel-
formen und deren Maasse, Stuttgart 1876.
 
Annotationen