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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 35.1910

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[Heft 1-2]
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Sauer, Bruno: Ein altes Parthenonproblem
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https://doi.org/10.11588/diglit.29170#0086
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B. SAUER

Ein Blick in Rössens Ausgrabungsberichte 1 und in Michaelis’
Parthenon (S. 202) belehrte mich, dass unser Torso 1 835 vor
der Westfront und zwar zwischen Mitte und Nordecke gefun-
den wurde und dass er identisch ist mit dem von Laborde,
Parthenon Taf. 58,1 publicierten. Nun wusste ich, warum ich
diesem Stück bei früheren Gelegenheiten so wenig Aufmerk-
samkeit geschenkt hatte: ein Werk, das von Michaelis mit
Entschiedenheit den Giebeln und dem Parthenon abgespro-
chen worden war, hatte auch ich mich als apokryph anzu-
sehen gewöhnt und schliesslich ganz aus den Augen verlo-
ren. Aber auch Vergessen hat sein Gutes. Hätte ich mich
gleich erinnert, den Laborde’schen Torso vor mir zu haben,
wer weiss, ob ich die Unbefangenheit bewahrt hätte, die mir
die Möglichkeit gab, die seit Jahrhunderten verschollene Fi-
gur des Westgiebels wiederzufinden.

Die Fundnotiz schliesst die Kette des Beweises. Wie aber
steht es mit den schweren Bedenken, die Michaelis veran-
lassten, den Torso ctrotz seiner Vortrefflichkeit’ für nicht
parthenonisch zu erklären ? Zunächst verrät sich in der Be-
zeichnung ' Colossalfigur’ einige Überschätzung seiner Maas-
se, sodann scheint Michaelis übersehen zu haben, dass sich
die seitliche, nicht die Unterfläche des Schenkelstumpfs ge-
gen den Boden legt, was sich mit seiner Annahme eines thro-
nenden Zeus nicht verträgt. Endlich hat die allerdings sehr
auffallende und ungewöhnliche technische Behandlung der
Flanken und des Rückens Michaelis’ Urteil irregeleitet. Dass
die linke Seite "ganz glatt und gerade abgeschnitten, der
Rücken halbsäulenartig gerundet’ sei, glaubte er nur so er-
klären zu können, "dass ein Gewand aus anderem Stoff (Me-
tall?) sich mit dem nackten Körper aus Marmor verbinden
sollte und von letzterem daher nur diejenigen Teile ausgear-
beitet wurden, welche sichtbar zu bleiben bestimmt waren’,
und bewog ihn zu dem energischen Verdict: "Diese Technik
entfernt jeden Gedanken an eine Zugehörigkeit zum Parthe-
non’. Heute würde auch der hochverehrte Nestor der Parthe-

1 Arch. Aufs. I 96. Die Seiten 92 f., die von den Funden vor der süd-
lichen Hälfte der Front handeln, erwähnen den Torso noch nicht.
 
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