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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 35.1910

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[Heft 1-2]
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Sauer, Bruno: Ein altes Parthenonproblem
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https://doi.org/10.11588/diglit.29170#0087
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EIN ALTES PARTHENONPROBLEM

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nonforscher anders urteilen. Wir haben über technische Ge-
pflogenheiten und Besonderheiten inzwischen viel gelernt,
kennen auch besser die Vernachlässigungen, die man sich
in der Parthenonwerkstatt erlaubte. In unserem Fall fehlt,
wie schon betont, jedes Merkmal eines Stückungs- oder Ver-
kleidungsverfahrens, wie es Michaelis annahm. Augenschein-
lich hat er den Torso auch in ungünstiger Aufstellung stu-
dieren müssen, sonst würde ihn der Attributrest an der rech-
ten Flanke überzeugt haben, dass der Marmor nicht auf Ver-
vollständigung, am wenigsten durch eine Hülle von Metall,
berechnet war.

So haben wir die volle Sicherheit, die verschollene Fi-
gur A* wieder zu besitzen, die einzige, die uns von der West-
gruppe fehlte. Denn dass auch in der südlichen Giebelhälfte
eine Figur einzufügen sei, die im Jahre 1674 nicht mehr
oben stand, ist für die heutige Parthenonforschung eine nur
auf unzureichender Kritik der Standspuren beruhende Hypo-
these Furtwängler’s (Meisterwerke 225 ff.), deren Unhaltbar-
keit mir mit der Zeit immer klarer geworden ist.

Die neugewonnene Figur, die von M. Lübke vervollstän-
digt in 7\bb. 4 erscheint \ bringt uns manches Überraschende.
'Zwischen den beiden Männern A und B’, sagt Michaelis,
Parthenon 187, 'und nach der Symmetrie des Gegensatzes ist
eine Frau am wahrscheinlichsten’, und diese Ansicht, die
auch Furtwängler (Meisterwerke 225 ff.) sich zu eigen ge-
macht hat, ist so plausibel und darum so allgemein zur Gel-
tung gelangt, dass die Wenigen, die keine Entscheidung wag-

1 Zu bequemerem Verständnis dieser Reconstruction bemerke ich Fol-
gendes. Im Aufriss sind mit punktierten Linien die Hauptumrisse des
Torso angedeutet. Dagegen hält sich der Grundriss ganz an das lebende
Modell, verzichtet also darauf, die Abnormität des viel zu tiefen und bei-
nahe walzigen Rumpfes wiederzugeben. Warum der Künstler diese Bildung
sich erlaubte, ist leicht verständlich : er wollte den Schwerpunkt der weit
vorragenden Figur möglichst nach hinten, über das feste Gebälk legen.
Leider war die Vorsicht diesmal umsonst; während die viel kühner aufge-
stellte Gruppe BC bis heutigen Tages an ihrem Platze steht, stürzte A* in
die Tiefe. Die Hauptschuld trug wohl wie bei Westgiebel 14 und Ostgiebel
10. 1 2. 23 ein versteckter Bruch im Geisonblock.
 
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